In der «20 Minuten»-Redaktion herrscht offenbar Unzufriedenheit über das Arbeitsklima und über die hierarchische Führung von Chefredaktor Gaudenz Looser.
Bei der reichweitenstärksten Zeitung der Schweiz seien Klicks und Empörung wichtiger als Relevanz oder Erzählweise, berichtete die «NZZ am Sonntag», die sich dafür auf Aussagen von ehemaligen «20 Minuten»-Mitarbeitenden stützt.
Demnach verfolge Chefredaktor Looser eine Strategie, die sich vor allem an Klickzahlen ausrichte. «Unsere Zahlen sind notorisch zu tief! Wie brauchen einen aggressiveren News-Kurs und bessere Storys», soll der Chefredaktor der Gratiszeitung letzten September an die Redaktion geschrieben haben. Eine ehemalige Mitarbeiterin beschrieb die Erwartungen Loosers an seine Redaktorinnen und Redaktoren so: «Man muss loyal sein und Klicks machen. Klicks, Klicks, Klicks.»
Die Legitimation von gewissen Geschichten wird auch innerhalb der Redaktion diskutiert. So gehe es in Leserreporter-Artikeln meistens darum, «mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, der sich nicht richtig verhält», sagte ein Ex-Mitarbeiter ohne Namensnennung in der Zeitung.
Gemäss einem anderen ehemaligen Mitarbeiter sei in den letzten Monaten die Jagd nach Klicks schlimmer geworden. Journalistinnen und Journalisten weigerten sich immer öfters, ihre Artikel unter dem eigenen Namen zu veröffentlichen, weil sie nicht hinter der Arbeit stehen könnten, wie die «NZZ am Sonntag» weiter schrieb. Nach diesen Vorkommnissen habe Gaudenz Looser interveniert und «anonymes Zeichnen» per sofort «bewilligungspflichtig durch den Ressortleiter» gemacht.
Ausserdem sei es seit November für jede Journalistin und jeden Journalisten Pflicht, ein Video zurückzubringen, wenn sie oder er die Redaktion verlässt. Das gelte «zwingend und ohne Ausnahme» soll Looser geschrieben haben. Ein Ex-Redaktor sagte über Looser: «Er ist ein Chef, der glaubt, je mehr er die Schraube anziehe, desto besser arbeiteten die Mitarbeiter.»
Der Chefredaktor selbst wies die Kritik an «20 Minuten» und sich selber zurück: «Das hier aufgrund von anonymen Quellen gezeichnete Bild hat mit der Realität nichts zu tun. '20 Minuten' orientiert sich strikt an journalistischen Standards.»