Am 2. März 1893 lief die erste Nummer des «Tages-Anzeigers» von der Druckmaschine. Mit einer Sonderbeilage feierte Tamedia am Freitag ihr 125-jähriges Jubiläum. Eine kurze Rückblende des Klein Reports auf die Anfänge des Zürcher «Tagis», der als Spin-off von Deutschland aus gegründet worden war.
«Noch heute entspricht das, was wir tun, dem Grundgedanken von Wilhelm Girardet, meinem Ururgrossvater und Gründer des Unternehmens», unterstrich VR-Präsident Pietro Supino am Freitag in einem Kommuniqué die Kontinuität in der Tamedia-Dynastie.
Was Supino nicht erwähnte: Neben seinem Urahn war mit Fritz Walz ein ehemaliger Redaktor der Zürcher Platzkonkurrenz an der Gründung des «Tages-Anzeigers» beteiligt. Bei der «Neuen Zürcher Zeitung» hatte Walz Anfang der 1880er-Jahre für den Handelsteil geschrieben. Während dreissig Jahren bis 1923 war der Mitgründer und Mitinhaber Chefredaktor des «Tages-Anzeigers».
Ebenfalls unerwähnt liess Supino, dass der «Tages-Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich» 1893 als Ausgründung von Deutschland aus lanciert wurde. Wilhelm Girardets Verlags- und Druckereiunternehmen gab von Essen aus ab 1886 mehrere Tageszeitungen heraus, unter anderem in Leipzig, Hamburg und Düsseldorf. 1893 ortete er in Zürich einen neuen Markt.
Verlegerisch innovativ war, dass Girardet und Walz den «Tages-Anzeiger» als «überparteiliches Familienblatt» konzipierten, so die Einordnung im Historischen Lexikon der Schweiz. Die neu lancierte Tageszeitung stellten die beiden Gründer der parteigebundenen Meinungspresse entgegen.
Wilhelm Girardet, also Supinos Ururgrossvater, «kontrollierte das rasch wachsende Zürcher Unternehmen mittels verwandtschaftlichen Verflechtungen vom Stammsitz in Essen aus», heisst es im Lexikon weiter. Als Geschäftsleiter setzte Girardet 1893 seinen Neffen Hugo Isenburg, 1899 seinen Sohn Wilhelm und 1906 seinen Schwiegersohn Otto Coninx ein, der bis 1956 die Fäden in der Hand hielt. Ihm folgte bis 1978 sein gleichnamiger Sohn.
Und wenn wir schon in der Kiste der Geschichte wühlen: Ganz ohne Anflug von Neid oder Nostalgie dürften selbst die gerissensten Medienmanager von heute die Auflagenzahlen der Gründerzeit nicht zur Kenntnis nehmen. War die erste Nummer des «Tages-Anzeigers» 1893 noch mit einer Auflage von 40 000 gestartet, waren es nur zwanzig Jahre später schon 72 500 Stück. 1942 wurde die 100 000-Marke geknackt, 1970 warens dann 200 000 Expemplare.
Den Rest der Geschichte kennen wir: Nach der Spitze von 273 000 Exemplaren im Jahr 1992 schrumpfte die «Tagi»-Auflage dem Markttrend folgend auf heute noch 149 000 Stück.