Content:

Montag
12.12.2022

TV / Radio

Heute noch eine Ergänzung, in Zukunft der Hauptkanal: BBC Plattform...         (Screenshot Webseite)

Heute noch eine Ergänzung, in Zukunft der Hauptkanal: BBC Plattform... (Screenshot Webseite)

Hundert Jahre alt ist die BBC im Oktober geworden. In dieser Zeit hat sich aus dem Radiosender über das Fernsehen ein Multikanal-Unternehmen entwickelt, das immer wieder zum Vorzeigemodell für die ganze Welt dienen konnte.

Deshalb könnte auch in der neusten Vision für eine Zukunft der Television ein allgemeingültiger Charakter für die Entwicklung des Fernsehens schlummern.

In den kommenden zehn Jahren soll die britische BBC auf «online only» umsatteln. Will heissen: Die linearen Programme sollen eingestellt werden.

Das hat der Senderchef Tim Davie am Donnerstag in einer Rede vor der Königlichen Fernsehgesellschaft erklärt, wie der «Guardian» berichtet. Demnach bereite sich die BBC darauf vor, die linearen TV- und Radiosender innerhalb der nächsten zehn Jahre einzustellen und zur reinen Online-Plattform zu werden.

Die Angebote des Öffentlich-Rechtlichen sollen dann gebündelt werden – etwa in einer eigenen App, die Fernsehsendungen, Nachrichten und «Bildungsmaterialien» beinhalten kann. Marken wie BBC One oder BBC Radio 4 würden verschwinden, wie Davie präzisierte.

Der heutige Senderchef räumte auch ein, dass dabei die Gefahr bestehe, dass die BBC «nur ein Online-Anbieter von vielen werde».

Noch erreiche die BBC hohe Einschaltquoten, jedoch vor allem beim älteren Publikum. Es werde eine Herausforderung, dieses mit Online-Inhalten zu erreichen. Probleme, die noch zu lösen sind, sieht Davie auch für ländliche Gegenden ohne starke Internetverbindung.

Der aufs Internet beschränkte Vertrieb biete «grosse redaktionelle Chancen», sagte Davie. Man könne dem Publikum bessere Leistungen und mehr Auswahl liefern. Es werde an einer «IP BBC» gearbeitet, die sich an den Interessen der Menschen orientiere: die BBC-Plattform im Netz als «ein täglicher Partner im Leben», den die BBC in einem einzigen Angebot mit individualisierten Kombinationen präsentiere.

Diese Zukunftsvision ist nicht nur technischer Art, sondern auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die konservative Regierung in England beschlossen hat, die Höhe der Rundfunkbeiträge vorübergehend einzufrieren. Deshalb muss die BBC massive Streichungen an ihrem Programm vornehmen.

Bleiben die Pläne der Regierung des konservativen Ex-Premiers Boris Johnson weiter gültig, soll die Beitragsfinanzierung im Jahr 2027 komplett abgeschafft werden. Was danach kommen soll, ist unklar. Geht es nach vielen Politikern der konservativen Partei, soll die BBC ein Abomodell wie Netflix bekommen.

Und wie reagieren andere Länder auf diese rund um die BBC heraufbeschworenen Trends? Beim ZDF hat man bereits reagiert. Dort wolle man neben seinem Hauptprogramm weiter an den TV-Kanälen ZDFneo und ZDFinfo festhalten, sagte Intendant Norbert Himmler am Freitag bei einer Sitzung des ZDF-Fernsehrats. Mit den beiden Programmen erreiche man «überproportional viele jüngere Menschen».

In Deutschland sollen die öffentlich-rechtlichen Sender jedoch in Zukunft mehr Handlungsspielraum bei der Entscheidung bekommen, ob sie ein Programm ins Netz verlagern oder ganz einstellen wollen. Hintergrund für diese politische Entscheidung, die noch nicht alle rechtlichen Hürden passiert hat, ist in Deutschland vor allem das veränderte Nutzerverhalten mit steigender Nachfrage nach digitalen Angeboten. Laut Himmler habe die Medienpolitik hier vorausschauend gehandelt, «auch wenn für das ZDF noch nicht der Zeitpunkt gekommen ist, davon Gebrauch zu machen», wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» den Intendanten Himmler zitiert.

In Österreich muss der ORF noch auf die politische Regelung im Rahmen einer Digitalnovelle warten. Nach Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur «Streaminglücke» muss die Politik bis Ende 2023 eine Lösung finden. Was das fürs Programm bedeute, bleibe offen, wie die Wiener Zeitung «Kurier» am Samstag kommentierte.

In der Schweiz dominiert auch zu dieser Entwicklung vorderhand noch eine gewisse Neutralität. Aber das Thema wird den neuen Medienminister Albert Rösti garantiert noch ausgiebig beschäftigen.