«Er meinte, dass die NZZ nicht mehr die ideale Besitzerin ist. Das hat mich aufgeregt.» Das moniert Christian Jungen, nachdem NZZ-CEO Felix Graf letzten Herbst intern bekannt gegeben habe, dass er das Zurich Filmfestival verkaufen wolle, im «SonntagsBlick».
Der ehemalige NZZ-Filmjournalist Jungen hat nach der Übernahme des Festivals 2016 durch die NZZ-Gruppe ab Mai 2019 von Karl Spoerri die künstlerische Leitung übernommen. Denn trotz Inhaberwechsel wurde das Festival längere Zeit weiterhin durch die beiden Gründer und Teilhaber, Nadja Schildknecht und Karl Spoerri, geführt.
«Im Laufe der Zeit haben wir aber gemerkt, dass wir keine harmonische Beziehung mehr führen», lässt sich der promovierte Filmwissenschaftler Jungen bezüglich des Mutterhauses zitieren. «Die Liebe ist noch da, aber es war einfach für beide zu anstrengend. Jetzt bleiben wir sehr gute Freunde.»
Die guten Freunde haben am 3. Juli dann bekannt gegeben, das Schluss mit lustig ist. «Festivalleitung übernimmt Zurich Film Festival», so der Titel der Medienmitteilung.
Die NZZ veräussere «das ZFF per Juli 2025 im Rahmen eines Management-Buyouts». Neben Jungen gehören demnach ZFF-Vizedirektorin Reta Guetg, Unternehmer und Moderator Max Loong, Felix E. Müller, ehemaliger Chefredaktor der «NZZ am Sonntag» und «langjähriger ZFF-Präsident», sowie Financier Marek Skreta zur neuen Trägerschaft.
Bei der Formulierung «langjährig» konnte die geneigte Leserschaft denken, Felix E. Müller sei es immer noch. «Am 10. Januar 2024 hat Roger Crotti das Verwaltungsratspräsidium der ZFF AG von Felix E. Müller übernommen», erklärte danach PR-Manager Simon Keller vom ZFF gegenüber dem Klein Report. Müller übernahm 2018. «Die aktuelle Zusammensetzung des ZFF-Verwaltungsrats bleibt vorerst bestehen», so Keller weiter.
Das muss hellhörig machen. Denn Anfang 2024 hat der ehemalige Disney-Manager Roger Crotti von Felix E. Müller das Verwaltungsratsmandat übernommen. Crottis Aufgabe: «Zusammen mit Artistic Director Christian Jungen und Jennifer Somm, Managing Director der Event- und Vermarktungs-Agentur Spoundation Motion Picture AG, das ZFF weiterentwickeln», teilte die NZZ damals mit.
«Zwei wichtige Themen, die das ZFF beschäftigen werden, sind die ganzjährige Präsenz des ZFF im Kino Frame in Zürich und die Wahrnehmung im deutschsprachigen Raum», liess sich Roger Crotti damals zitieren.
Die Mär von «keine Käufer oder Interessenten gefunden» dürfte sich in den nächsten Wochen noch auflösen. Wie auch dem Klein Report seit Anfang Jahr bekannt war, interessierte sich beispielsweise Filmproduzent und Privatbankier Hans Syz für das Zurich Filmfestival und die Kinosäle Frame.
Hans Syz habe Felix Graf nicht nur die Übernahme des ZFF angeboten, sondern auch «eine Lösung fürs Frame, die leeren Ex-Kosmos-Kinos am Rande vom Redlight-Distrikt», wie Insidepradeplatz kurz nach dem Verkauf des Festivals schrieb. Die Gespräche seien schliesslich versandet und erst vor wenigen Tagen sei Medienunternehmer Syz von NZZ-CEO Felix Graf vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
Darüber, dass es in der Festivalleitung immer wieder zu Managementfehlern und Missmut gekommen ist, hat der Klein Report ausführlich berichtet. Der «SonntagsBlick» hat die sogenannte «Gesamtbesucherzahl» einmal genauer angeschaut und nachgerechnet, dass man in Zürich bei 332 ausverkauften Screenings auf maximal 98’187 Zuschauerinnen und Zuschauer kommt.
Für 2024 sprach das Zurich Filmfestival aber von 140’000 Besuchen, was einem neuen Rekord entsprochen habe.
Die geschönten ZFF-Zahlen hätten bei anderen Festivals für Argwohn gesorgt, schreibt der «SonntagsBlick». Denn die schweizweite ‚Conférence des festivals‘, zu der auch das ZFF gehört, habe sich dazu verpflichtet, bei den Zahlen klar zwischen bezahlten Kinokarten und Gratis-Tickets zu differenzieren. «Die wahren ZFF-Zahlen sind unter Verschluss – das BAK begründet die Geheimhaltung mit den Geschäftsinteressen der NZZ», schreibt die Zeitung über das klandestine Verhalten.
Christian Jungen monierte weiter, dass der Name «NZZ» dem Festival nicht immer geholfen habe. «Es gab Sponsoren, die sich über die publizistischen Positionen der NZZ aufgeregt haben und mit mir lieber darüber sprechen wollten als über das Festival.» Und weiter: «Viele Stiftungen schrieben uns reflexartig, sie könnten uns nicht unterstützen, weil wir einem Medienhaus angehören.»
Ganz so schlimm kann es aber doch nicht sein. Denn: «Die NZZ bleibt dem Festival eng verbunden, etwa als Main-Partnerin für weitere drei Jahre», lässt sich NZZ-CEO Felix Graf bei der Ablösung zitieren. Denn Freespace hat es genügend in den NZZ-Medientiteln – und bekanntermassen nicht nur in denen.
Gleich zu Beginn, als die NZZ beim Zurich Film Festival eingestiegen ist, hat die Zürcher SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch 200’000 Franken Subventionen locker gemacht, die seitdem – neben weiteren Zuschüssen – jährlich fliessen.
Die abtretende Politikerin ist ein eingefleischter Filmfan und wünschte sich für Zürich schon immer ein Filmfestival. Es wäre doch gelacht, wenn sich da nicht noch weitere Honigtöpfchen auftun.