In 55 Prozent der Islam-Berichte in Schweizer Zeitungen kommen die Muslime selber nicht zu Wort. Und wenn sie eine Stimme bekommen, dann würden vor allem extreme Meinungen vertreten, steht in einer neuen Studie.
Zwischen 2009 und 2017 hat sich eine Tonlage etabliert, die «Distanz gegenüber Muslimen in der Schweiz erzeugt». Dies ist laut der Studie teilweise die Folge der Themensetzung: Besonders seit 2015 konzentrieren sich die Zeitungsredaktionen mehr und mehr auf Berichte über Radikalisierung und Terror. 2017 machten diese Themen 54 Prozent der ausgewerteten Artikel aus, steht in der von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) veröffentlichten Untersuchung.
Der Studienautor Patrik Ettinger von der Uni Zürich durchkämmte Zeitungsartikel, die zwischen 2009 und Mitte 2017 in 18 Print-Medien in der Deutschschweiz, der Romandie und im Tessin erschienen sind. In der «Weltwoche» wiesen 84 Prozent der Islam-Berichte einen distanzerzeugenden Tenor auf, im «Blick» waren es 59 Prozent und in der NZZ und «Le Temps» je 31 Prozent.
Diese markanten Unterschiede zeigten, dass die Redaktionen «Handlungsspielräume im Umgang mit dem Thema» hätten, so eine der nicht ganz überraschenden Schlussfolgerungen. Zum Teil wurde der distanzierte Tenor mit Pauschalisierungen kombiniert – so in 48 Prozent der Berichte in der «Weltwoche» und in 24 Prozent der Beiträge im «SonntagsBlick». Der Durchschnitt über alle Titel hinweg lag hier bei 8 Prozent.
Unterbelichtet blieben in allen Blättern Themen wie «gelingende Integration» oder «Alltag»: Zusammen machten sie nur vier Prozent der Berichte aus.
Es gebe in der Islam-Berichterstattung ähnliche Muster wie bei der Art, wie die Presse über Roma und Schwarze schreibt, kommentierte die EKR am Montag die Studienergebnisse. 2013 und 2017 hatte die Kommission die Berichterstattung über diese beiden Minderheiten untersuchen lassen.
«Die Wahrnehmung der Minderheiten wird stark durch die Berichterstattung in den Medien beeinflusst.» Man wolle den Dialog mit den Medien weiterführen, hiess es bei der EKR am Montag weiter.