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Samstag
26.03.2022

Medien / Publizistik

Eine «gezielte Desinformation der Öffentlichkeit» wähnte der Beschwerdeführer hinter dem Zahlen-Fehler. (Bild Screenshot)

Eine «gezielte Desinformation der Öffentlichkeit» wähnte der Beschwerdeführer hinter dem Zahlen-Fehler. (Bild Screenshot)

«20 Minuten» und der Teletext der SRG haben sich einen groben Schnitzer geleistet und dann auch noch gebummelt bei der Berichtigung. Es ging um die Zahl der Corona-Toten. Ein Fehler mit Flurschaden für die Glaubwürdigkeit der Medien.

«93% der Verstorbenen nicht geimpft» titelte der Teletext am 7. Oktober 2021. Im Artikel wird ausgeführt, dass von 1681 seit Januar 2021 verstorbenen Menschen 93 Prozent nicht gegen das Coronavirus geimpft gewesen seien. Nur rund sieben Prozent seien schon zweimal geimpft gewesen. 

20Minuten.ch doppelte tags darauf nach: «93 Prozent der Covid-Todesfälle sind Ungeimpfte», lautete hier die Schlagzeile. Beide Medien stützten sich auf die Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

Ein aufmerksamer Leser beschwerte sich beim Presserat. Bei richtiger Betrachtung der BAG-Zahlen werde ersichtlich, dass zwar sehr wohl nur 122 Verstorbene nachgewiesenermassen vollständig geimpft gewesen seien, dass aber die Behauptung, alle anderen seien ungeimpft gewesen, völlig falsch sei. 

Grund: Die entsprechende Zahl setze sich nämlich zusammen aus 790 nicht geimpften, 77 teilweise geimpften und vor allem aus 702 Personen, von denen der Impfstatus nicht bekannt gewesen sei. 

So hatte denn auch das BAG bei der Publikation der Zahlen am 1. Oktober 2021 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich unter diesen 702 sicher weitere vollständig und teilweise Geimpfte befänden.

Zwar versuchte «20 Minuten» mit relativierenden Erklärungen den Kopf ein Stückchen aus der Schlinge zu ziehen – der Sachverhalt jedoch ist offenkundig und unbestritten. 

Beide Redaktionen haben den Fehler dem Pressrat gegenüber denn auch eingestanden: nämlich eine Schlagzeile publiziert zu haben, die nicht der Wahrheit entsprach. Und dies, wie der Presserat unterstreicht, «in einem sehr zentralen Punkt innerhalb eines gesellschaftlich breit und heftig umstrittenen Themas». 

Doch damit nicht genug. Eine umgehende Berichtigung wäre das Mindeste gewesen. Doch pressant hatten es beide Medien nicht. «20 Minuten» korrigierte den Fehler erst am 24. November 2021, also gerade mal vier Tage vor der Volksabstimmung zum Covid-Gesetz. Der Teletext liess sich sogar noch bis am 15. Dezember 2021 Zeit. Also bis eineinhalb respektive über zwei Monate nach dem Zahlen-Schlamassel.

«Entschieden zu spät», klopft der Presserat in seiner am Freitag publizierten Stellungnahme auf den Tisch. Das Gremium hatte den beiden Redaktionen die Beschwerde nämlich bereits am 9. November 2021 zugestellt. Auch die Berichtigungspflicht haben «20 Minuten» und Teletext damit verletzt.

Solche Fehler sind schon nur für sich genommen mehr als peinlich. Hinzu kommt der Flurschaden. Sie nähren jene Verschwörungsfantasien, wonach die «Mainstreammedien» die Bevölkerung absichtlich an der Nase herumführen würden.

Eine «gezielte Desinformation der Öffentlichkeit» wähnte der Beschwerdeführer denn auch hinter dem Zahlen-Desaster. Denn ein solch grober Schnitzer lasse sich nicht mehr mit mangelndem Statistik- oder Zahlenverständnis erklären, wie er dem Presserat schrieb.