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Dienstag
24.05.2022

Medien / Publizistik

«Ein bisschen Sport muss natürlich sein. Im Fernsehen sieht man bekanntlich immer dicker aus, als man wirklich ist», sagt «Eco Talk»-Master Reto Lipp im Interview. (Bild © SRF)

«Ein bisschen Sport muss natürlich sein. Im Fernsehen sieht man bekanntlich immer dicker aus, als man wirklich ist», sagt «Eco Talk»-Master Reto Lipp im Interview. (Bild © SRF)

Vor einem Jahr hat SRF seine Wirtschaftssendung «Eco» zum neuen «Eco Talk» zusammengekürzt.

Mit Frontmann Reto Lipp sprach der Klein Report über den Einsatz der SRF-Crew am World Economic Forum (WEF), die Etablierung des neuen Formats «Eco Talk» und über seine persönlichen Finanzanlagen. Das Interview führte André Häfliger für den Klein Report.

Wie oft waren Sie schon am WEF?
Reto Lipp
: «Ich war insgesamt elfmal am WEF, dieses Jahr allerdings nicht. Da kurz darauf das Swiss Economic Forum stattfindet, konzentriere ich mich auf die Live-Sendung vom SEF, die am 2. und 3. Juni aus Interlaken kommt.»

Was imponiert Ihnen am meisten?
Lipp: «Mir imponieren starke Persönlichkeiten, die auch etwas zu sagen haben. Und das sind in der Regel leider nicht die hochbezahlten (angestellten) Manager, sondern eher echte Unternehmer. Diese sind meist viel authentischer als Manager, die oft nur wiedergeben, was ihr Kommunikations-Chef ihnen vorfabriziert hat. Das ist leider für die TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer langweilig. Firmen müssen sich dann nicht wundern, wenn beim grossen Publikum das Interesse an Wirtschaft erlahmt.»

Welche ist für Sie die wichtigste Persönlichkeit, die Sie in Davos getroffen haben?
Lipp: «So wahnsinnig wichtig war er damals noch nicht: Er war noch Bürgermeister von London und suchte Investoren für eines seiner gigantischen Projekte, das sich natürlich nie realisiert hat. Die Rede ist von Boris Johnson. Ein Mann mit grossen Ambitionen, noch grösserem Selbstbewusstsein und leider einem sehr kreativen Umgang mit der Wahrheit.» 

Ihre lustigste Anekdote?
Lipp: «Mein Team hatte mir mal einen chinesischen WEF-Besucher vors Mikrofon geschleppt. Er konnte nicht Englisch, hat aber gesagt, sein Praktikant würde übersetzen. Ich beginne das Interview und merke im Verlauf des Gesprächs, dass der Praktikant auch nur sehr rudimentär Englisch konnte. Das Resultat war ein völlig absurdes Interview, bei dem niemand nichts verstanden hat. Realsatire pur!»

Mit wie vielen Leuten ist SRF vor Ort? 
Lipp: «Meine Kollegen, die für ‚Tagesschau‘ und ‚10vor10‘ sowie ‚Börse‘ arbeiten, sind vor Ort. Es sind auch viele Kameramänner und -frauen sowie Techniker von SRF vor Ort. Diese arbeiten aber – und das sollte man nicht verwechseln – fürs WEF und nicht fürs SRF. Das WEF kauft sich die Technikkompetenz ein.»

Vermissen Sie die Sendung «Eco»?
Reto Lipp: «Natürlich schaue ich gerne zurück auf fast 600 Sendungen ‚Eco‘ mit einem tollen, sehr innovativen Team. Die grossen Reportagen und Hintergrund-Analysen können wir heute nicht mehr leisten, das ist ausserordentlich schade. Was mich sehr motiviert ist allerdings, dass sich unsere neue (sehr viel günstigere) Nachfolgesendung ‚Eco Talk‘ sehr gut etabliert hat, überraschend gut sogar. Mit Bundespräsident Cassis ist demnächst der sechste Bundesrat Gast in meiner Sendung. Kürzlich hat mir jemand im Zug gesagt: ‹Mir gefällt der ‚Eco Talk‘ sogar noch besser als ‚Eco‘›. Wenn das mal kein schönes Kompliment ist!»

Haben Sie Aktien oder sonstige Anlagen?
Lipp: «Einzelaktien sind Mitgliedern der Wirtschaftsredaktion nicht erlaubt. Ich habe meine Anlagen ohnehin an einen Vermögensverwalter delegiert. Und natürlich spare ich für meinen Ruhestand, der jetzt auch nicht mehr so weit entfernt ist wie auch schon.»

Wie hoch wird die Inflation in der Schweiz Ende Jahr sein?
Lipp: «Wir werden eine Jahresinflation von etwas über 2 Prozent haben, was im internationalen Schnitt sehr moderat ist. Der starke Franken schützt uns da etwas.»

Und wie viel beträgt das Wachstum dieses Jahr?
Lipp: «Leider hat der Ukraine-Krieg sehr viel Ungewissheit gebracht, und vor China stauen sich wieder die Container. Die Schweizer Industrie spricht von vollen Auftragsbüchern, aber man könne wegen Lieferunterbrüchen zum Teil nicht liefern. Das macht alles sehr kompliziert. Ein Wachstum von 2,5 Prozent sollte aber drin liegen aufgrund von Nachholeffekten nach Corona.» 

Werden die Zinsen steigen? 
Lipp: «Die Zinsen werden ganz sicher steigen. Die EZB wird im Sommer handeln. Und die Schweizerische Nationalbank – so vermute ich – wird noch in diesem Herbst eine erste kleine Zinserhöhung durchführen. Immer alles unter dem Vorbehalt, dass der Ukraine-Krieg nicht noch viel schlimmer wird.» 

Wie geht es Ihnen privat?
Lipp: «Mir geht es gut – und in Anbetracht der Weltlage muss man ja auch sagen, dass wir hier in der Schweiz ausserordentlich privilegiert sind. Ich hoffe, dass dieser Gedanke wieder ein bisschen mehr um sich greift. Die latente Unzufriedenheit und das Gemecker vieler Leute machen mir manchmal zu schaffen. Viele unserer angeblichen Schwierigkeiten kann man als Luxusprobleme bezeichnen.» 

Welche Hobbys können Sie noch pflegen?
Reto Lipp: «Ich lese nach wie vor sehr viel – und wenn ich in der Freizeit lese, dann sind es Romane – und gerne auch Krimis. Musik ist auch weiterhin ein Hobby, in einem früheren Leben habe ich Musik fürs Radio programmiert, deshalb bleibe ich ein Musik-Freak. Und natürlich ein bisschen Sport muss auch sein. Im Fernsehen sieht man bekanntlich immer dicker aus, als man wirklich ist …»

Wohin gehts in die Ferien?
Lipp: «Frankreich bleibt für mich immer eine Wunsch-Destination. Vermutlich geht’s diesen Sommer in eine Gegend, wo ich noch nie war, nämlich rund um Bordeaux – und das Kulinarische kommt dort auch nicht zu kurz …»

Was wünschen Sie sich? 
Lipp: «Ein Ende des Krieges, weniger Unzufriedenheit und Hass, wie er sich öfters in den sozialen Medien manifestiert, und mehr Respekt.»