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Donnerstag
21.02.2019

Medien / Publizistik

«GHI bloss nicht dem Volkstribun überlassen»

«GHI bloss nicht dem Volkstribun überlassen»

GHI und «Lausanne Cité» (LC) gehören wieder ganz sich selber: Tamedia ist nicht mehr im Boot, Christoph Blocher ging leer aus, das Selbstbewusstsein der Gratistitel ist intakt. Kaum messbar ist dagegen das Aus von «L´Hebdo» und «Le Matin», wie Verkaufsleiter Daniel Neukomm im Gespräch mit dem Klein Report sagt.

«Plus indépendants que jamais» liest man derzeit auf Lastwagen, die auf der Autobahn zwischen Genf und Lausanne verkehren. Mit dem selbstbewussten Slogan auf den grünen Planen machen die beiden Gratis-Wochenzeitungen GHI und LC vom Verleger und Gründer Jean-Marie Fleury auf sich aufmerksam.

Nach seinem Veto zum Verkauf der Tamedia-Anteile an Christoph Blocher sei im Verlag ein «neues Selbstbewusstsein» erwacht, sagte Daniel Neukomm, Leiter des Deutschschweizer Werbemarkts von GHI und LC, am Dienstag gegenüber dem Klein Report.

Nachdem Tamedia im April 2018 schon einen Verkauf ihres 50-Prozent-Anteils an Blochers Zeitungshaus AG angekündigt hatte, bedingte sich Jean-Marie Fleury einen Monat Bedenkzeit aus - und machte schliesslich von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch. Seither sind seine beiden Gratiszeitungen «unabhängiger wie nie», wie der neue Lastwagen-Slogan selbstsicher beansprucht.

«Früher war ´unabhängig` mehr eine Floskel», sagte Daniel Neukomm. «Angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der Medienbranche macht das Wörtchen wieder mehr Sinn. Die wiedererlangte Unabhängigkeit wird von uns jetzt auch nach aussen getragen», so Neukomm zu den Hintergründen der neuen Eigenwerbung. 

«Dies auch als Dank gegenüber Stimmen aus der Genfer Gesellschaft, die letztes Jahr darauf insistiert haben, dass GHI auf keinem Fall dem Volkstribun aus Zürich überlassen wird.»

Weniger Spuren hinterlassen bei GHI und LC haben dagegen das Wegsterben von Konkurrenzblättern. Vor zwei Jahren hatte Ringier Axel Springer «L´Hebdo» vom Spielfeld genommen, Ende Juli 2018 zog Tamedia nach mit der Einstellung von «Le Matin». Des einen Leid, des anderen Freud? Daniel Neukomm: «Wir merken die Einstellung der beiden Titel ein bisschen, so richtig messbar ist es noch nicht.»

Soviel könne er aber sagen: «Wir hatten ein lausiges Jahr 2017, 2018 konnten wir unsere Werbeeinnahmen um fünf bis zehn Prozent steigern», so der Verkaufsleiter Deutschschweiz. «Aber klar, ´20 minutes` ist und bleibt eine grosse Nummer. Werbekunden meinen manchmal, wir nehmen den Tamedia-Gratistitel, dann haben wir die ganze Schweiz.»

Dabei kommen rund 40 Prozent der Werbeeinnahmen von GHI und LC von Kunden, die national Werbung treiben, rechnet Daniel Neukomm vor. Mit dem LemanCombi+, das die Vermarktung von GHI, LC und «Le Régional» aus Vevey bündelt, erreiche man mit rund einer halben Million Haushalten am Genfersee-Bogen «die halbe Westschweiz», sagte der Verkaufsleiter weiter.

Weitere 40 Prozent der Werbeeinnahmen von GHI und LC spielen «regionale Matadoren» wie Garagisten, Nagelstudios oder Spitäler ein. Und mit 20 Prozent halten sich die Kleininserate weiterhin tapfer: «Gerade im Lokalen funktioniert das, weil man den Coiffeur kennt, der gleich um die Ecke eine Stelle ausschreibt», so Neukomm. Die Kleininserate seien die «beste Referenz für Beachtung».

«Gut gemachte, lokale Gratiszeitungen haben fast noch bessere Chancen als bezahlte», meinte Daniel Neukomm auf die wackligen Perspektiven angesprochen. «Ich lese jeden Tag den ´Tagi`, in der ´Tribune de Genève` steht fast das Gleiche, einfach übersetzt.»