Content:

Mittwoch
22.06.2022

TV / Radio

Eine noch hängige Motion beinhaltet Sprengstoff, der gerade in der Finanzierungsdebatte der SRG eine Rolle spielen könnte…                (Bild: SRG)

Eine noch hängige Motion beinhaltet Sprengstoff, der gerade in der Finanzierungsdebatte der SRG eine Rolle spielen könnte… (Bild: SRG)

Christian Lohr gehört als Mitglied der EVP der Mitte-Fraktion an. Am 17. Dezember 2020 reichte er eine Motion ein, die im Nationalrat noch nicht behandelt wurde und auch von den Medien ausser dem Klein Report eher als «unter ferner liefen» oder «ewig gleiches Thema» behandelt wurde.

Dabei beinhaltet die Motion Sprengstoff, der gerade in der Finanzierungsdebatte der SRG eine Rolle spielen könnte. Ein Kommentar des Klein Reports.

Was will die Motion Lohr und weshalb ist sie in den laufenden Debatten um die Finanzierung der SRG kein Thema?

Die Motion Lohr beauftragt den Bundesrat, dem Parlament eine Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen RTVG vorzulegen. Die Motion wurde eingereicht mit dem Zweck, dass die SRG nicht mehr nur durch vom Unternehmen eingesetzte Revisoren, die auch von der SRG bezahlt werden, geprüft, sondern endlich der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) unterstellt wird.

Die Motion Lohr stellt indirekt eine stossende Ungleichbehandlung fest, nämlich, dass die kleinen privaten Radio- und TV-Veranstalter der Kontrolle der EFK unterstehen, nicht aber die grosse SRG, obwohl die Gelder aus demselben Serafe-Topf stammen. Gleichzeitig weist die Motion Lohr auch darauf hin, dass die SRG – anders als die Post oder die SBB – nicht der Finanzkontrolle des Bundes untersteht.

Die Motion Lohr ist im Nationalrat noch hängig. Die parlamentarische Initiative von SP-Ständerat Carlo Sommaruga, die SRG einer externen, öffentlichen Kontrolle der Unternehmensführung zu unterstellen, wurde am 18. Januar 2022 von Carlo Sommaruga zurückgezogen. Der Bundesrat musste darauf also nicht antworten.

Die SRG wird durch die Eidgenössische Finanzkontrolle also nicht geprüft. Zur EKF gibt es zu sagen, dass diese unabhängig ist und selbst Aufträge des Bundesrates und des Parlaments ablehnen kann. Der Vorteil der EKF ist – im Unterschied zu internen und externen Revisoren –, dass sie nicht durch das zu prüfende Unternehmen oder die Institution bezahlt wird, sondern eben unabhängig ist und der schweizerischen Bundesverfassung verpflichtet.

Die SRG hat einen umfassenden Leistungsauftrag und wird durch Gebühren in Milliardenhöhe finanziert. Speziell am RTVG ist, dass die Prüfung der SRG explizit ausgeschlossen ist, sodass dem Parlament zwecks Einführung der Prüfung eine Änderung des Bundesgesetzes vorgelegt werden muss, ergo die Motion Lohr. Die SRG-Initiative «200 Franken sind genug!» will nur die Gebühren senken, nicht die Finanzen der SRG prüfen, was wohl angesichts der Kritik an der SRG viel sinnvoller wäre.

Die SRG hat eine umfassende Autonomie der Programmgestaltung, die für alle Demokratien wichtig ist. Diese Unabhängigkeitsklausel gilt auch für die eidgenössischen Gerichte. Deren Unabhängigkeit ist unantastbar und dennoch werden die eidgenössischen Gerichte durch die EKF geprüft. Also selbst im Rahmen der für die Demokratie entscheidenden Gewaltentrennung zwischen Justiz, Parlament und Regierung kann die EKF dennoch, ohne Verletzung der Autonomie der Gerichte, deren Finanzen prüfen. Diese Prüfung, so auch in der Begründung der Motion Lohr, tangiere in keiner Weise die «richterliche Unabhängigkeit».

Sehr erstaunlich, dass die SRG hier eine Sonderstellung wahrnehmen kann. Damit ist die SRG auch ein europäischer Sonderfall, denn Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland garantieren eine Rundfunk-Prüfung bei strengen Auflagen für deren jeweilige Programmautonomie. Doch die Schweizer Regierung findet nach wie vor, dass die Eidgenössische Finanzkontrolle ausgerechnet in einem Riesenbetrieb wie der SRG nichts zu suchen habe. Der Bundesrat argumentiert erstaunlicherweise – siehe den Hinweis auf die eidgenössischen Gerichte –, dass eine externe Finanzprüfung die «verfassungsmässig garantierte Programmunabhängigkeit» gefährdet würde (Stellungnahme des Bundesrates vom 24. Februar 2021).

Bemerkenswert ist der Hinweis des Bundesrates bei der Legitimation, dass bei den Finanzen der SRG alles mit richtigen Dingen zugehen würde; die Verantwortung trägt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Wörtlich sagt der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Motion Lohr: «Das UVEK prüft den Finanzhaushalt der SRG. Es hat heute die Möglichkeit, Prüfungen nach risikobasierten Gesichtspunkten, im Sinne der vorliegenden Motion, durchzuführen. Zudem hat das UVEK bereits mehrere Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchgeführt, zum Beispiel in den Bereichen Personalwesen, Beschaffung, Kosten- und Leistungsrechnung und interne Revision. Mit den Wirtschaftlichkeitsprüfungen wurde festgestellt, dass die SRG professionell aufgestellt ist und gesamthaft betrachtet über alle wichtigen Steuerungsinstrumente verfügt, die ein effizientes Management und eine wirtschaftliche Verwendung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel erlauben.»

Dass zwischen UVEK und SRG die «Unabhängigkeit der Berichterstattung» gefährdet sein könnte, mehr noch, als wenn die unabhängige EKF die Prüfung der Finanzen der SRG durchführen würde, findet nirgendwo Erwähnung, was, gelinde gesagt, höchst erstaunlich ist. Dabei ist die Unabhängigkeit der Berichterstattung über eine Regierung, die das eigene Unternehmen prüft, wohl eher in Gefahr als in den dafür vorgesehenen ordentlichen, verfassungsrechtlich geregelten Rechtswegen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme wohl vergessen, dass die EKF nur innerhalb ihrer eng definierten Aufsichtspflicht agieren und keinerlei Vollzugsaufgaben innehat, was vom UVEK nicht behauptet werden kann. Kein anderes Departement hat grössere Gestaltungsmacht in der eidgenössischen Medienpolitik als das mächtige UVEK.

Erstaunlich indessen, wie wenig solche Sachverhalte in den Schweizer Medien diskutiert werden. Für unabhängige Experten wie jene beim Klein Report sind derartige mediale Leerstellen bei wichtigen staatsrechtlichen und staatspolitischen Vorgängen demokratietheoretisch bedenklich.

Ein weiterer Fun Fact zur Finanzcausa SRG: Auch die SP wollte durch Carlo Sommaruga die SRG einer externen, öffentlichen Kontrolle der Unternehmensführung unterstellen: am 18. Dezember 2020. Carlo Sommaruga argumentierte, dass «aktuelle Beispiele» wie Fehler in der «Personalführung im Zusammenhang mit Sexismus» oder ein prestigeträchtiger Immobiliendeal keinerlei öffentlichen Kontrolle unterliegen würden. Diese Motion wurde kommentarlos am 18. Januar 2022 zurückgezogen.

Die Antwort auf die Frage, wer die Finanzen der SRG kontrolliert, lautet nach Auskunft des Bundesrates also bis zur sachdienlichen und staatsrechtlich verständigen Behandlung der Motion Lohr im Nationalrat: Die Finanzen der SRG werden nur durch interne Revisionen, Revisionen im Rahmen des Aktienrechts und durch das UVEK in Form der Kontrolle des «Finanzhaushaltes» überprüft.

Letztere übrigens ganz sorglos punkto «Unabhängigkeit der Berichterstattung» den Bundesrat betreffend.