In dieser Story geht es ums Wörtchen «radikal» und um das Bild der Taliban in den westlichen Medien.
Im «Echo der Zeit» vom 18. September 2021 wurde Reinhard Schulze zu Afghanistan interviewt. Dass der Berner Islamwissenschaftler die Bezeichnung «radikal-islamisch» partout nicht den Taliban zuschreiben wollte, passte einer Handvoll Zuhörern gar nicht.
Schulze sei bereits zum dritten Mal innerhalb eines Monats als Experte zu Afghanistan befragt worden, monierten die Zuhörer, die mit 23 Unterschriften eine Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) eingaben.
Schulze könne den «elementarsten wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügen», lautete der Rundumschlag gemäss der Stellungnahme, die die Medienaufsicht am Dienstag online gestellt hat. Vor allem Schulzes Aussage, wonach sich ein Schulverbot für Mädchen nicht mit der Scharia begründen lasse, stiess bei den Zuhörern sauer auf.
«Schulze verweigert jede religionskritische Auseinandersetzung mit dem Islam. Dadurch vermittelt er auch ein falsches Bild vom afghanischen Taliban-Islam», so die Beschwerdeführer.
Reinhard Schulze sei eine anerkannte Stimme der Islamwissenschaft in der Schweiz, rechtfertigte die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRF) die Expertenwahl von «Echo der Zeit».
Zu Afghanistan, Taliban und Islam seien zwischen August und Dezember 2021 auch «zahlreiche andere Expertinnen und Experten von SRF beigezogen» worden.
Schulzes Scharia-Aussage mochte die UBI nicht beanstanden. «Diese war klar als persönliche Ansicht des Islamwissenschaftlers zu erkennen, die er zudem in nachvollziehbarer Weise begründete. So wies er darauf hin, dass sich in den klassischen islamischen Rechtstexten keine Hinweise zur Frauenbildung fänden. Allfällige Schulverbote der Taliban hätten ihren Ursprung denn auch in den Sittengesetzen der Paschtunen, welche Frauen und Mädchen primär eine Rolle im Haus zuweisen würden.»
Und auch an Schulzes Ablehnung des Adjektivs «radikal» hatte das Kontrollgremium nichts auszusetzen. Aus seinen Interview-Antworten gehe klar hervor, dass er die Taliban nicht verharmlose, «sondern vielmehr eine differenziertere Betrachtungsweise der Vorgänge in Afghanistan wünscht, die vor allem auch die Bedeutung der dort ansässigen ethnischen Gemeinschaften berücksichtigt.»
So habe Schulze mehrmals die Bedeutung der Sittengesetze der paschtunischen Gesellschaft für die Werteordnung der Taliban betont, welche seiner Meinung nach in der Berichterstattung von westlichen Medien nicht oder nur ungenügend beachtet werde.