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Dienstag
01.08.2023

Kino

Für den scheidenden Festival-Präsident Marco Solari ist seine Nachfolgerin Maja Hoffmann «ein Glücksfall für Locarno»…     (Bild: RSI)

Für den scheidenden Festival-Präsident Marco Solari ist seine Nachfolgerin Maja Hoffmann «ein Glücksfall für Locarno»… (Bild: RSI)

An einer ausserordentlichen Generalversammlung am 20. September soll Maja Hoffmann als zukünftige Präsidentin des Filmfestivals von Locarno bestätigt werden.

Für die Wahl der Roche-Milliardärin und Kunstsammlerin gibt es sowohl Applaus wie auch Kritik.

Über ihre Vision des Filmfestivals von Locarno möchte Maja Hoffmann «noch nicht sprechen», wie der «SonntagsBlick» schreibt. Längere Interviews will die designierte Präsidentin erst nach ihrer offiziellen Wahl geben.

Eine Aussage hat die weltweit aktive Mäzenin aber bereits gemacht. Auf die Frage einer RTS-Journalistin, ob das Festival durch sie als neue Präsidentin mehr Geld erhalten werde, sagte Hoffmann: «Nein. Das Festival ist sehr gesund.»

Das weltweit beachtete Festival im Tessin hat ein jährliches Budget von 17 Millionen Franken. Der Kampf um Sponsoren ist aber seit Jahren ein Thema. Bloomberg schätzt das Vermögen von Maja Hoffmann auf über sechs Milliarden US-Dollar. Im Weltranking der 500 Reichsten steht sie auf Platz 424.

Der Roche-Konzern betont gegenüber «SonntagsBlick», die Aktivitäten des Konzerns und der Familie seien klar getrennt. Weder einst noch heute gebe es ein Sponsoring des Filmfestivals von Locarno.

Anders sieht es beim Basler Tinguely-Museum aus. Dieses trägt im Logo den Werbespruch «Ein Kulturengagement von Roche». Im Bereich Klassik engagiert sich der Konzern für das Musikfestival in Luzern.

Über das künftige kulturelle Engagement von Roche wolle er nicht spekulieren, teilte ein Sprecher des Unternehmens mit.

Maja Hoffmann selber ist bisher vor allem für ihre Grosszügigkeit bei der Förderung von bildender Kunst bekannt geworden.

Im Bereich Film kann sie ein Filmstudium in New York vorweisen sowie drei Dokumentarfilme, die sie produziert hat, zum Beispiel über Peggy Guggenheim, die ebenfalls fleissig Kunst sammelte. Diese stammt zwar auch aus einer sehr reichen Familie. Peggy war aber das schwarze Schaf der Sippe und hat nur ein kleines Erbe bekommen.

Zur unterschwellig durchschimmernden Kritik an der Wahl von Maja Hoffmann in der Ringier-Zeitung will diese aber auch hervorheben, dass man es nicht gut fände, wenn in Locarno «Zürcher Verhältnisse» Einzug hielten. Die Rede ist von den engen Verbindungen zwischen dem Zurich Film Festival ZFF, dem Hauptsponsor Credit Suisse, ZFF-Gründerin Nadja Schildknecht und ihrem Partner, dem damaligen CS-Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner.

Das Zurich Film Festival wurde 2016 von der NZZ-Gruppe übernommen. Danach wurde Christian Jungen, bisher Fimkritiker der NZZ, zum neuen ZFF-Direktor ernannt.

Für den scheidenden Festival-Präsident von Locarno, den 79-jährigen Marco Solari, ist seine 67-jährige Nachfolgerin «ein Glücksfall für Locarno». Sie sei eine Weltbürgerin und die richtige Frau für den Paradigmenwechsel, der nun ansteht. Er sieht auch kein Problem darin, dass Maja Hoffmann in Zürich und Arles wohnt. Solari erwähnt: «Es gibt Vizepräsidenten, die vor Ort sind. Es gibt einen starken Tessiner Managing Director und man kann auch über Videokonferenzen in Locarno präsent sein.» Auch dass Hoffmann kein Italienisch spreche, stört den Tessiner nicht.

Etwas kritischer neben anderen, die sich nicht öffentlich äussern wollen, sieht es der Basler Soziologe Ueli Mäder. Dieser hat die Basler Seilschaften untersucht und das Buch «Geld und Macht in der Schweiz» verfasst. Mäder warnt deshalb, Kulturelles Engagement dürfe nicht zum Alibi werden.

Man erinnere sich: In Zürich ist Philipp Hildebrand vor einem Jahr zum Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft – dem Trägerverein des Zürcher Kunsthauses – gewählt worden. Er ist auch Vice Chairman beim Vermögensverwalter BlackRock. Bei der Wahl hat der Finanzmann eine profunde Kunstkennerin ausgestochen.

Für den Klein Report drängt sich deshalb die Frage auf: Werden die schönen Künste damit zur Dekoration für das Wirken der Reichen degradiert? Dann hätten wir uns seit dem Mittelalter wenig entwickelt, wo die Banker der Familie Medici darüber entschieden haben, was in Zukunft als Kunst anerkannt sein soll und was nicht.