Content:

Freitag
20.10.2017

Medien / Publizistik

NZZ-Proetestbrief-Akademiker-Klein-Report

Ein Protestbrief von knapp 70 Akademikern und Akademikerinnen an die NZZ-Führungsriege hat für viel Aufsehen gesorgt: Publiziert wurde das Schreiben in Teilen von persoenlich.com. Recherchen des Klein Reports zeigen nun, dass der Brief «durch eine Indiskretion» an die Öffentlichkeit gelangte. Das sorgt für Unruhe unter den Verfassern.

Ursprung des Protestschreibens war laut persoenlich.com der im Brief erwähnte «massive Aderlass» im NZZ-Feuilleton in den letzten zwei Jahren und die Entlassung des Redaktors Uwe Justus Wenzel. Die Verfasser schrieben dazu gemäss dem Online-Portal, dass die personellen Entscheidungen der letzten Zeit ihrem Eindruck zufolge «nicht allein auf ökonomische Zwänge zurückzuführen sind». Zudem deute man die personellen Veränderungen auch «als politische Öffnung am rechten Rand des Liberalismus».

Der Klein Report hat daraufhin 16 Schweizer Akademiker und Akademikerinnen, die den Brief zusammen mit Autoren auf der ganzen Welt unterschrieben haben, nach den Hintergründen der Protestaktion gefragt. Sechs von ihnen haben zwar geantwortet, wollten den Inhalt des Schreibens aber nicht kommentieren, obwohl dieses unterdessen publik geworden ist.

Den Grund für die kollektive Verschwiegenheit zu inhaltlichen Fragen erfuhr der Klein Report in einem Statement eines Professors, der wie alle anderen Quellen in diesem Artikel bewusst nicht namentlich genannt wird. Er schrieb: «Wir Unterzeichnenden haben mit Absicht keinen offenen Brief geschrieben, weshalb ich es nun inkonsequent fände, im Nachhinein Motiv und Inhalt öffentlich zu kommentieren.»

In einem weiteren Statement hiess es dazu, dass das Schreiben «durch eine Indiskretion zu persoenlich.com gelangt» sein müsse. Zudem sei der «Inhalt mangelhaft und tendenziös wiedergegeben worden, mit einer falschen Paraphrase an der entscheidenden Stelle», wie weiter moniert wird. Konkret benannt wird der Fehler in der Stellungnahme nicht. Ebenfalls keine Antwort erhielt der Klein Report auf die Frage, weshalb die Öffentlichkeit nichts über die Feuilleton-Kritik erfahren sollte.

Weniger geschlossen zeigten sich die Akademiker und Akademikerinnen jedoch bei der Beantwortung der Frage nach den Motiven für das Verfassen des Briefes. So biss der Klein Report bei einigen Quellen auf Granit, während sich andere deutlich redseliger zeigten und verrieten, dass die Protestaktion auf «spontane Initiative von jemandem» der Unterzeichnenden entstanden sei.

«Uwe Justus Wenzel hat seine Entlassung in einer kollektiven Mail denjenigen Autoren (mit dem Ressortleiter René Scheu im CC) mitgeteilt, mit denen er regelmässig zusammengearbeitet hat. Bedauern und Verständnislosigkeit führten zu einer intensiven Maildiskussion der Angeschriebenen, wobei Wenzel und Scheu nicht mehr involviert waren», schrieb einer der Feuilleton-Gastautoren dazu.

Die unterschiedlichen Voten und Einschätzungen hätten daraufhin Eingang in einen Brief gefunden, der erneut kollektiv diskutiert worden sei. «Eine über diesen Brief hinausreichende Organisation gibt es nicht», so das Statement eines weiteren Professors.

Doch wie reagierte man bei der NZZ auf das Protestschreiben? «Wir haben den Brief bereits beantwortet», antwortete Myriam Käser, Leiterin der NZZ-Unternehmenskommunikation, auf Anfrage des Klein Reports. Zum Inhalt verweigerte sie, wie die angefragte Akademikerriege auch, eine Stellungnahme.

Nur ein angeschriebener Professor liess sich ein paar Details zur Antwort der NZZ-Führungsriege entlocken: «Ich möchte dazu nur erklären, dass wir in der Tat alle eine Antwort von Herrn Chefredaktor Guyer erhalten haben; eine ausführliche und sorgfältig formulierte Antwort, die jedenfalls ich selbst gut und zufriedenstellend finde», so sein Statement.