Die Entdeckung der Langsamkeit 2.0: Nach Ansicht von Verleger Johann Oberauer haben Medien die Digitalisierung zunächst verschlafen, dann die falschen Schlüsse gezogen und schliesslich erst dann um Hilfe gerufen, als es schon fast zu spät war.
In Anlehnung an das Buch «Die Entdeckung der Langsamkeit» von Sten Nadolny hat Johann Oberauer gewisse Parallelen zwischen John Franklin, Hauptfigur des Romans, und den Medien ausfindig gemacht.
Franklin, ein englischer Seefahrer im 18. Jahrhundert, kann mit der Schnelllebigkeit seiner Zeit, der industriellen Revolution, nicht mithalten. «Der vermeintlich schwächliche Aussenseiter hat allerdings aussergewöhnliche Fähigkeiten: Ausdauer, Gründlichkeit, Gelassenheit und klare Wertevorstellungen», erzählte Oberauer bei der Eröffnung des European Publishing Congress in Wien, für den sich mehr als 500 Medienschaffende angemeldet haben.
Und die Medien? Das «schönste Segelwetter» vergangener Tage machte sie träge, vermutet der Verleger. Konfrontiert mit den Herausforderungen der Digitalisierung, habe man dann «die falschen Segel gesetzt», indem journalistische Inhalte verschenkt wurden.
Und als dann mit Google und Facebook noch «Piraten am Horizont aufgetaucht sind», habe man deren Absichten lange nicht richtig erkannt. Erst, als die Medien-Schiffe schon schwer beschossen waren, habe man um Hilfe gerufen. «Die haben wir durch Europas Politiker nun auch erhalten», so Johann Oberauer.
Inzwischen stünden Medien schon vor der nächsten grossen Herausforderung – und ihre Reaktionszeit sei einmal mehr langsam. Erstmals würden in Europa Journalisten und Medien gezielt diskreditiert und wirtschaftlich unter Druck gesetzt. «Einzelne politische Parteien oder ganze europäische Staaten haben den ernsthaften Willen, uns auszuschalten.»
Doch geht man mit Verleger Oberauer, so hat die Langsamkeit der Medien auch ihr Gutes – genauso wie das umsichtige, bedächtige und ausdauernde Naturell John Franklins, das sich schlussendlich im Vergleich zur schnelllebigen, hektischen und unreflektierten Zivilisation als Qualität entpuppt hat. Getreu dem Motto: Wer sich langsam bewegt, sieht besser, was links und rechts des Weges passiert.
Medien stünden für bestimmte Werte und setzten sich mit den Mitteln der Wahrheit dafür ein. Doch das alleine genüge nicht, um die Branche zu retten. Deshalb schloss Johann Oberauer seine Rede mit einem Appell an die Verleger: Es sei an der Zeit, das Wettbewerbsdenken auszuschalten und «Flottenverbände» zu bilden, sagte er am Montag in Wien.