Die Verlage kämpfen zwar darum, im Internet Geld zu verdienen. Sie wollen deshalb aber noch lange nicht jede neue Werbeform, die technisch möglich ist, einführen. Die Begeisterung für Real Time Advertising (RTA) und Real Time Bidding (RTB) etwa hält sich in engen Grenzen.
«RTB wird sicherlich den klassischen Buchungsprozess und damit auch das Preisgefüge verändern», sagte AZ-Mediensprecherin Ursulina Stecher dem Klein Report. «Bis anhin setzen wir auf unseren Online-Plattformen kein Real Time Bidding ein, da wir unser aktuelles Potenzial auf klassischem Weg über Kundenbeziehungen vermarkten können.»
Für RTB bleibt laut Stecher wenig Platz. «Die Menge an Restplätzen ist nicht so gross, dass wir mit dieser Vermarktungsmethode eine bessere Auslastung erreichen könnten», sagte sie. Ob Anbieter von Restplätzen dieses Verfahren bereits für ihre Kunden nutzen und so Kampagnen auf die Seiten der AZ Medien gelangen würden, das sei ihr hingegen nicht bekannt.
«Wir beobachten aber die Entwicklung», sagte Stecher. «Nach unserer Einschätzung hängt der Erfolg von RTB stark von der Akzeptanz bei Vermarktern und Agenturen ab und es wird sich nicht für alle Werbetreibenden gleich gut eignen.»
Bei Ringier betrachtet man die Entwicklung ebenfalls noch zurückhaltend. «Bevor eine weitere Öffnung unseres Online-Ad-Inventars in Richtung von RTA-Anbietern erfolgt, konzentrieren wir uns zunächst darauf, die Voraussetzungen für ein Ringier-weites Targeting zu schaffen», so Ringier-Pressesprecher Edi Estermann gegenüber dem Klein Report. «Aus Ringier-Sicht steht neben der bestehenden Premium-Vermarktung die Site-übergreifende Audience-Vermarktung im Fokus.»
Der Verlag will selbst internes Know-how aufbauen, um das verfügbare Online-Ad-Inventar besser aussteuern zu können. «So ist eine selektive Öffnung in Richtung von externen Online-Netzwerken möglich, die den Ringier-Qualitätskriterien gerecht werden», so Estermann.
Qualitätskriterien spielen auch bei der RTB-Vermarktung der NZZ eine Rolle. «Eine automatisierte Buchung von Onlinewerbung macht als Ergänzung zu Premium-Kampagnen durchaus Sinn», meinte Remo Baumeler, Head of Digital Advertising bei der NZZ, gegenüber dem Klein Report. «Aus unserer Sicht jedoch nicht im freien Markt, sondern als Private Marketplace mit ausgewählten Partnern.»
Statt von RTB spricht Baumeler deshalb von Programmatic Buying. Die Spielregeln könnten vom Publisher individuell definiert werden, so Baumeler. Dies betreffe zum Beispiel die Preisgestaltung pro Format, das Mindestbuchungsvolumen, die Targetingzuschläge etc. «Mit dieser Variante wird nicht nur das Userprofil bezahlt, sondern auch das hochwertige Umfeld berücksichtigt», sagte Baumeler.
«Programmatic Buying hat in unserer Sales-Strategie einen hohen Stellenwert, wir erreichen damit eine höhere Auslastung des Werbeinventars zu einem fairen TKP», so Baumeler. «Der Anteil am gesamten Online-Werbeumsatz ist aber nach wie vor gering.»
«Auch kann über die automatisierten Kanäle kein Werbedruck garantiert werden», sagte er. «Wir sehen Programmatic Buying deshalb als ergänzenden Kanal zur Erreichung von Reichweitenzielen in den entsprechenden Zielgruppen.»
Die Vor- und Nachteile beschreibt er so: «Im Normalfall sind die automatisierten Kampagnen leicht günstiger als die Premium-Kampagnen. Die administrativen Aufwände für den Publisher sind dafür geringer, zudem gibt es keine Garantie für die Werbeauslieferung.»
Auch bei Tamedia ist der Fokus mehr auf Programmatic Buying denn auf RTB ausgerichtet. «Aktuell setzen wir RTB nicht aktiv ein», so Stephan Obwegeser, Head of Digital Advertising & Services bei Tamedia, gegenüber dem Klein Report. «Auch glauben wir nicht, dass RTB im Premium-Umfeld das richtige Instrument ist.»
Erste Versuche mit RTB hat Tamedia im letzten Jahr aber bereits durchgeführt. «Wir haben bereits vereinzelte Tests mit Ausland-Traffic und Premium-gerechten Mindestpreisen auf RTB-Plattformen gefahren», sagte Obwegeser. Er spricht auch die Wirtschaftlichkeit von RTB an. «Via RTB lassen sich nicht dieselben Erlöse erwirtschaften. Im Umfeld von Platzierungen auf beliebigen Long-Tail-Seiten sind die Preise sehr tief.»
«Im Sinne von RTA/programmatic buying versuchen wir vielmehr Schnittstellen, Plattformen und Möglichkeiten zu bieten, um die Planung und Auftragsabwicklung zu automatisieren und effizienter zu gestalten», meinte er. «Wenn wir von RTA und programmatic buying sprechen, sehen wir dies als technisches Hilfsmittel, um an Effizienz zu gewinnen, Prozesse schlanker zu machen und die Qualität zu steigern.»
Obwegeser glaubt, dass es mittelfristig möglich ist, 50 Prozent der Kampagnen automatisiert abzuwickeln. «Passende Werbung der richtigen Zielgruppe zur richtigen Zeit zu zeigen, hat definitiv seinen Reiz und sorgt für eine bessere Akzeptanz der Werbung und für höhere Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe.»
Während die NZZ und Tamedia also auf Programmatic Buying setzen, versucht Ringier mit einem seitenübergreifenden Targeting bei den Werbekunden attraktiver zu werden. Bei den AZ Medien ihrerseits verzichtet man noch ganz auf Real Time Advertising. RTB wäre zwar schon heute möglich, Begeisterung für die neue Vermarktungsart klingt allerdings anders.