Der US-Zollhammer von Donald Trump erschüttert die Schweizer Politik, die Wirtschaft und die Gesellchaft.
Im Auge des Hurrikans: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, Wirtschaftsminister Guy Parmelin und die hiesige Unternehmenswelt. Eine Schadensbilanz im Scheine des 1. August-Feuerwerks.
Am Bundesfeiertag richtete Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter das Wort via Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) an die Nation. Die FDP-Politikerin tat es vor dem Stadtweiher ihrer Wohngemeinde Wil. Sie sprach von der Bedeutung des Ortes für die Eidgenossenschaft und über die Defensionale von Wil, die 1647 von den 13 Alten Orten zur ersten Wehrordnung der Schweiz unterzeichnet wurde.
Die Quintessenz ihrer Rede: «Ja, es geht der Schweiz gut – im Vergleich mit vielen anderen Ländern, auch in Europa, sogar sehr gut». Und: «Ich bin überzeugt, dass wir gute Voraussetzungen haben, die Erfolgsgeschichte unseres Landes weiterzuschreiben».
Und zum Schluss sagte Keller-Sutter: «Am heutigen Nationalfeiertag sollten wir daher mit Stolz, aber auch mit einer gewissen Demut auf unser Land schauen. Und mit der Zuversicht, dass wir auch weiterhin unseres Glückes Schmied sein können».
Selten stand eine Ansprache zum Nationalfeiertag derart quer in der Landschaft wie 2025. Fairerweise muss der Klein Report sagen, dass die Ansprache schon am Dienstag aufgezeichnet worden war. Gleichwohl stellt sich die Frage: Hätte die Rede nicht neugeschrieben werden sollen?
Einzig mögliche Antwort: Ja! Ändert die politische Windrichtung derart radikal, müsste die bundesrätliche Beamten-PR-Maschinerie zwingend einschreiten. Doch hier führte kein Profi die politische Kommunikation – sondern die altbekannte Vogelstrauss-Mentalität herrscht vor. Kopf in den Sand und abwarten.
Und das bei 414 Vollzeitstellen in der Kommunikation des Bundes. Gemäss der «NZZ am Sonntag» seien in den letzten fünf Jahren 55 Stellen hinzugekommen.
Fakt ist: Nach den von US-Präsident Trump ausgesprochenen Strafzöllen gegen die Schweiz von 39 Prozent ist nichts mehr wie es war.
Und Karin Keller-Sutter kann es sich eigentlich nicht leisten, aus der Konserve zum Schweizer Volk zu sprechen – umso weniger, als dass sie mit ihrer Fehleinschätzung in den Gesprächen mit Donald Trump am Ursprung der Krise mitbeteiligt ist.
Politikwissenschaftler Michael Hermann nennt in einem Interview mit den Zeitungen von CH Media das Kind beim Namen: «Falsch waren die Selbstüberschätzung und der völlig falsch eingestellte Kompass von Karin Keller-Sutter. Sie sah eine Nähe zwischen der Schweiz und der aktuellen US-Regierung. Sie hegte Sympathien für die Kritik des US-Vizepräsidenten J. D. Vance an Europa. In Anbetracht dieses rein willkürlichen, antiliberalen Zollhammers ist das ein Hohn».
Allerdings war KKS, wie sie manchmal überhöht betitelt wird, nicht die Einzige, die in ihren Ansprachen zum Nationalfeiertag die Aktualität grosszügig umschiffte.
Auch SVP-Wirtschafsminister Guy Parmelin blendete das Störfeuer vom 31. Juli aus Washington D.C. aus. In Klosters sagte er zur Festgemeinde: «Unsere politische und institutionelle Stabilität, unsere Spitzenleistungen in den Bereichen Innovation, Bildung und Forschung, unser Streben nach Qualität und unsere Konsenskultur sind wichtige Trümpfe, die wir mit Mut und Überzeugung pflegen sollten».
Wie wichtig dieses Engagement sei, zeige sich täglich. Aber es gebe Tage wie den 1. August, an dem die Schweizer diesem Engagement zu einer noch grösseren, fast schon heiligen Dimension verhelfen können.
Vom dramatischen Zoll-Schlamassel kein Wort – und vom eigenen Versagen war von Politiker Parmelin gar nichts zu hören, eine Art pseudohafte Gelassenheit wurde da demonstriert. Dabei schienen Keller-Sutter und der Rest-Bundesrat noch vor kurzem die Zügel fest im Griff zu halten.
Als im Frühling die ganze Welt vor Donald Trumps Strafzöllen zitterte, griff die St. Gallerin zum Telefon und sprach mit dem US-Präsidenten. Sie sei optimistisch, dass die Schweiz einen guten Deal erreiche, sagte sie allen, die es hören wollten. Entsprechend herrschte in Bern bis vor kurzem grosse Zuversicht, das Schlimmste abgewendet zu haben.
Doch nun steht die Schweiz vor einem Trümmerhaufen mit 39 Prozent an Zöllen. Dass Keller-Sutter Trump in einem 35 minütigen Telefongespräch nach der Hiobsbotschaft darauf hinwies, dass es die Schweiz seit 1291 gibt und der 1. August unser Nationalfeiertag sei, wirkte bedauerlich hilflos. Und dass sie dies auf der Rütliwiese den Medien-Vertretern selber mitteilte, entschärfte das Kommunikationsfiasko nicht.
Und dass die Magistratin in der aktuellen Ausgabe des Wochenmagazins «Schweizer Familie» behauptet «Ich habe gerne geordnete Verhältnisse» hat mittlerweile einen zynischen Unterton.
Fest steht: Der Schaden für die Schweizer Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft droht epochale Ausmasse anzunehmen. Mit voller Wucht treffen die neuen Zölle die hiesigen Exportfirmen. Rund 18 Prozent der Schweizer Exporte gehen in die USA. Besonders hart betroffen ist die Maschinen‑, Elektro‑ und Techbranche, die mit 300’000 Arbeitsplätzen stark vom US-Geschäft abhängig ist.
Nun wird der Ruf nach dem Staat laut. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer spricht von einer «historischen Katastrophe» für die Schweiz. Tausende hochwertige Stellen stünden auf dem Spiel. «Es braucht jetzt für betroffene Firmen die Möglichkeit für Kurzarbeit, bis Trump weg ist – sonst sind die Arbeitsplätze weg», sagte Nussbaumer.
In die gleiche Richtung geht Urs Furrer, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv): «Politik und Verwaltung müssen jetzt dringend die Hausaufgaben machen».
Dabei fordert Furrer die Umsetzung eines umfassenden Entlastungs- und Revitalisierungspakets für die Schweizer Wirtschaft.
Aber nicht nur Trumps Zollpolitik macht Schweizer Firmen zu schaffen. Das zweite Probleme ist der starke Franken. Die Unternehmen sind deshalb gezwungen, die Produktion ins Ausland zu verschieben – zum Beispiel in die EU, welche mit deutlich tieferen Zöllen belastet werde. Swissmem-Sprecher Ivo Zimmermann sagt: «Viele KMU werden das US-Geschäft aber komplett verlieren.»
Mit dem Schweizer Wirtschaftsprofessor Hans Gersbach meldet sich ein weiterer Fachmann zu Wort. Sollten die angekündigten 39 Prozent eingeführt werden, rechnet Gersbach schon in den nächsten Monaten mit einem «massiven Anstieg» der Kurzarbeit und einem Stellenabbau.
Weil die Zölle die Wettbewerbsposition der Schweizer Produzenten so stark verschlechtern würden, werde es in den Schlüsselindustrien sicher Arbeitsplatzeffekte geben, sagte er in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.
Sollte es zu Produktionsverlagerungen kommen, hätte das dem Co-Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) zufolge zusätzliche Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt.
Entscheidend sei nun insbesondere der Umgang mit der Pharmaindustrie, zumal sie mehr als die Hälfte der Warenexporte in die USA ausmacht. Sollte auch sie belastet werden, hätte das Gersbachs Berechnungen zufolge einen «scharfen Rückgang» des Bruttoinlandprodukts von mindestens 0,7 Prozent zur Folge.
Interessanterweise haben die beiden Basler Grosskonzerne Novartis und Roche nur einen deftigen Brief von US-Präsdient Trump erhalten, so wie die anderen Chemie- und Pharmariesen in Europa auch. Aber mit einer klaren Ansage nach Basel: Runter mit den Medikamentenpreisen in den USA.
Gefordert sind Karin Keller-Sutter und ihre Bundesratskolleg(inn)en. Immerhin müssten sie seit dem 1. August 2025 wissen: Mit normalen Argumenten ist Donald Trump nicht beizukommen.