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Montag
21.12.2020

Medien / Publizistik

Der Presserat wird deutlich: «Krasser Verstoss gegen die Prinzipien journalistischer Ethik» (Bild © TX Group)

Der Presserat wird deutlich: «Krasser Verstoss gegen die Prinzipien journalistischer Ethik» (Bild © TX Group)

Dies ist ein Verstoss der gröberen Sorte: Bazonline.ch hat Ton-Aufnahmen des Theraphiegesprächs eines missbrauchten Kindes ungefiltert im Web verbreitet. Der Presserat pfeift das Tamedia-Blatt zurück.

«Kein Strafverfahren gegen Chefärztin der Kinderpsychiatrie Baselland» war der Artikel überschrieben, den bazonline.ch am 6. Juni 2020 veröffentlichte. Darin wird der Zwischenstand im Verfahren um ein Mädchen mit dem fiktiven Namen «Nathalie» geschildert.

Das Kind mache seit einem Jahr geltend, es werde bei seinen Wochenend-Besuchen von seinem Vater sexuell missbraucht. Doch die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) mache zu wenig dagegen. 

Der Online-Version des Artikels waren zwei Audio-Dateien beigefügt, wo man das Mädchen mit unverfälschter Stimme gegenüber einer Therapeutin schildern hört, wie sein Vater es bedrohe und missbrauche. 

«Der Presserat sieht in der Veröffentlichung von höchst vertraulichen Gesprächen eines achtjährigen Kindes mit seiner Therapeutin über erlittene sexuelle Gewalt seitens seines Vaters einen krassen Verstoss gegen die Prinzipien journalistischer Ethik», schreibt das Gremium in seiner Stellungnahme.

Die «Basler Zeitung» verteidigte sich damit, dass mit den Aussagen von «Nathalie» im O-Ton deren Eindringlichkeit und Aufrichtigkeit besser nachvollziehbar geworden sei, als wenn man dies nur schriftlich paraphrasiert hätte. 

«Das Audio hat zwar fraglos einen starken Effekt – wie auch immer man den einordnet –, er darf aber ganz sicher nicht auf Kosten der intimsten Privatsphäre eines Kindes gehen», sagt der Presserat dazu. 

Allein die Gefahr, dass das Kind auf diese Weise bei vielen über Jahre stigmatisiert werden könnte, reiche aus, um eine derartige Publikation als «unverantwortlich» zu taxieren. «Ebenso beispielsweise die Möglichkeit, dass dieses Material in Pädophilenkreisen die Runde machen könnte.»

Ausser Frage stehe, dass die kritische Berichterstattung über die Kesb im öffentlichen Interesse liege. Aber die schwere Verletzung der Privatsphäre eines Kindes, die zum Verständnis des Sachverhalts nicht nötig war, sei klar nicht im öffentlichen Interesse gelegen.