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Dienstag
12.11.2019

TV / Radio

UBI: «Die Redaktion hat es unterlassen, die Vorwürfe der ehemaligen Arbeitnehmerinnen kritisch zu hinterfragen. Die Vorwürfe wurden teilweise als Fakten präsentiert.»

UBI: «Die Redaktion hat es unterlassen, die Vorwürfe der ehemaligen Arbeitnehmerinnen kritisch zu hinterfragen. Die Vorwürfe wurden teilweise als Fakten präsentiert.»

Auch der Online-Beitrag von SRF News mit dem Titel «Chef verbannt Sachbearbeiterin zur Strafe unter Tag» und der Oberzeile «schikanöser Chef» ist von der UBI als nicht sachgerecht eingestuft worden.

Der «Kassensturz» des Schweizer Fernsehens (SRF) hat den Beitrag am 8. Januar 2019 ausgestrahlt. Online hat der TV-Journalist Magnus Renggli den Beitrag mit ergänzenden und neuen Aussagen aufgeschaltet.

Die Beschwerde wurde unter anderem angenommen, weil auch bei der Online-Zusammenfassung von SRF News «ausschlaggebend» gewesen sei, dass «vor allem Vorwürfe als Tatsachen dargestellt wurden», so die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).

Und im Lead fährt Magnus Renggli auch gleich boulevardesk ein: «Weil sie eine fristlose Kündigung nicht akzeptiert, muss eine (Name der Firma, Anmerkung Klein Report) Angestellte im Keller Steine aufstapeln.»

Im Online-Text heisst es weiter: «Lange war sie auf Arbeitssuche. N.G. hat den Job als Sachbearbeiterin bei (Name der Firma und Ortschaft, Anmerkung Klein Report) durch das regionale Arbeitsvermittlungszentrum bekommen. Die alleinerziehende Mutter war froh, endlich wieder eine Anstellung zu haben. Doch die Freude hielt nicht lange.

Kurz nach Ablauf der Probezeit legt ihr der Chef unvermittelt die Kündigung vor. 'Er sagte zu mir, ich mach dir ein Angebot - ich zahl dir 3000 Franken, dafür bist du ab sofort draussen.' Dazu hätte er die Kündigung einen Monat in die Probezeit zurückdatiert», beschreibt der Journalist den Fall.

Dann bindet SRF News ein Video ein mit der ehemaligen Angestellten N.G. In der Legende steht: «N.G. über das Angebot des ehemaligen Chefs».

Es folgt der Zwischentitel: «Strafversetzung in den Keller». Und weiter: «Verdutzt lehnt N.G. das Angebot ab. Schliesslich hätte sie auf zwei Monatslöhne verzichtet. 'Dann sagte er, in diesem Fall gehst du ab sofort in den Keller arbeiten.' Ab diesem Zeitpunkt sei sie nie mehr an ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz gesessen. Statt Sachbearbeiterinnen-Aufgaben zu erledigen, habe sie im Untergeschoss ohne Fenster Steine aus Kisten ausgepackt und andere Materialien gezählt.»

Hier bindet SRF News ein Bild ein. Legende: «Nicht gerade gemütlich: N.G. filmt ihren Arbeitsplatz ohne Tageslicht.» Es folgt ein weiterer Zwischentitel: «Das Gesetzt verlangt Tageslicht».

SRF-News-Online-Text: «'Niemand darf strafversetzt werden, zum Beispiel in einen Keller und dort ganz andere Arbeiten zugewiesen bekommen, als jene, die vertraglich geregelt sind', erklärt Arbeitsrechtsprofessor Roger Rudolph von der Universität Zürich. 'Kommt dazu, dass das Arbeitsgesetz verlangt, dass grundsätzlich an jedem Arbeitsplatz Tageslicht vorhanden sein muss'.»

Im Online-Artikel von Magnus Renggli folgt dann eine weitere ehemalige Mitarbeiterin der Firma im Halbedelsteinhandel (UBI-Benennung), die wie ihre ehemalige Arbeitskollegin nur mit Initialen eingeführt wird. «Auch M.S. hat für den Mineralienhändler (Name der Firma) gearbeitet. Ihr wurde schon in der Probezeit gekündigt. Weshalb, weiss M.S. bis heute nicht. Sie hat jedoch eine Vermutung. Sie hätte entdeckt, dass ihr Chef sie am Arbeitsplatz mit einer Videokamera überwacht habe. Inklusive Ton. 'Er hat uns auf Dinge angesprochen, die er im Büro nicht gehört haben kann', sagen beide Frauen», zitiert der Journalist die Frauen.

Hier bindet SRF News ein Bild ein. Legende: «Im Büro der Sachbearbeiterinnen filmte eine Kamera mit. Laut Arbeitsrechtsexperten geht das gar nicht.»

Ein weiterer dramatischer Zwischentitel mit «Chef hört Mitarbeiterinnen ab» leitet zur Aussage einer der beiden ehemaligen Angestellten über: «M.S. erinnert sich nur ungern daran zurück. 'Als ich gemerkt habe, dass er uns permanent mittels Mikrofon abhört, fühlte ich mich wie nackt. Das ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre'.»

Hier bindet SRF News ein Video mit M.S. ein. In der Legende steht: «M.S. über den Eingriff in ihre Privatsphäre».

«Eine Überwachung am Arbeitsplatz gehe gar nicht, sagt Rechtsprofessor Rudolph. 'Jede Form von Verhaltensüberwachung durch solche Überwachungs- und Kontrollsysteme am Arbeitsplatz ist unzulässig.' Das gelte umso mehr, wenn die Betroffenen nichts davon wüssten. 'Dann kann eine solche Überwachung sogar strafbar sein'», zitiert der Journalist den Arbeitsrechtler und geht thematisch schon weit weg von der ursprünglichen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung.

Hier bindet SRF News vier Service-Links ein: vom SRF-1-Ratgeber, vom Seco, ein Link zu den rechtlichen Grundlage ArGV 3 Art. 26 Überwachung der Arbeitnehmer sowie ein Link zu Informationen vom Datenschutzbeauftragten.

Erst jetzt kommt der Hauptbeschuldigte zu Wort, beginnend mit dem Zwischentitel: «(Name der Firma) bestreitet Vorwürfe».

Rengglis Text: «Der Chef, gleichzeitig Inhaber von (Name der Firma), will vor der Kamera nichts sagen und bestreitet sämtliche Vorwürfe. Er schreibt 'Kassensturz': 'Alle Anschuldigungen sind unwahr'.»

Und weiter: «Betreffend Arbeit im Keller schreibt er: 'Es ist wahr, dass Frau G. für eine ihr zugeteilte Produktegruppe ein Inventar aufnehmen musste. Frau G. hat aber nie Arbeiten ausgeführt, die nicht ihrem Arbeitsbeschrieb entsprachen.' Behauptungen zu Rückdatierungen der Kündigungen seien haltlos», wird der Firmenbesitzer zitiert.

«Zur Videoüberwachung sagt er (Name der Firma)-Chef: 'Versteckte  Kameras existieren bei uns nicht. Eine einfache Home-Kamera, an welcher sich Frau G. störte, wurde mit meinem Einverständnis von ihr ausgesteckt und blieb ausgeschaltet.' Die Kamera sei auf den Eingang gerichtet gewesen und nicht auf irgendeinen Arbeitsplatz oder auf eine Person.»

Und hier bindet SRF News am Ende des Online-Textes ein Video ein, das auch bereits am gleichen Tag im «Kassensturz»-Beitrag lief - ein Studiogespräch mit Bruno Baeriswyl, dem Datenschutzbeauftragten des Kantons Zürich. Baeriswyl spricht thematisch recht ausgeglichen über den Einsatz von Kameras und die daraus entstehenden Rechte und Pflichten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.