Was ist von der einst marktbeherrschenden Publicitas noch übrig? Auf der Suche nach Verwertbarem für die mehreren hundert Gläubiger, die vom Konkurs betroffen sind, könnten die strittigen Zessionen an Thalos und Tamedia nun auch ins Visier des Konkursamtes geraten.
Die Abwicklung des Konkurses der Publicitas kommt nur stockend voran. Grund dafür ist auch die für das Verfahren richtungsweisende Frage, wie viele Aktiven noch übrig sind vom Unternehmen, das bis zum Verkauf an Aurelius im Sommer 2014 noch über die Publigroupe an der Börse gehandelt wurde.
Von der Höhe der Konkursmasse hängt ab, ob der Konkurs ordentlich oder summarisch, also in einem vereinfachten Verfahren, abgewickelt werden soll. Selbst eine komplette Einstellung des Verfahrens mangels Aktiven ist noch möglich. «Im Fall der Publicitas wäre eine Einschätzung heute reines Kaffeesatzlesen. Das Blatt kann sich aus verschiedenen Gründen jederzeit noch wenden», sagte Notar-Stellvertreter Marco Lucchinetti vom Konkursamt Aussersihl-Zürich dem Klein Report.
Das summarische Verfahren käme dann zur Anwendung, wenn für ein ordentliches Verfahren zu wenig Geld vorhanden sein sollte. «Das Geld aus der Konkursmasse muss ausreichen, um die Kosten des Verfahrens zu bewerkstelligen», so Lucchinetti. Im Fall der Publicitas, für den beim Konkursamt Aussersihl-Zürich eine eigene «Task Force» eingesetzt wurde, dürften diese Kosten immens sein.
Denn zahlreiche Geschädigte haben bereits ihre Forderungen beim Amt angemeldet, obwohl der offizielle Schuldenruf bis dato noch gar nicht publiziert wurde. «Man rechnet mit mehreren hundert Gläubigern», erklärte Lucchinetti. Neben dem Amt in Zürich, welches das Verfahren übergreifend koordiniert, sind schweizweit auch mehrere Konkursämter bei den ehemaligen P-Niederlassungen in den Fall verwickelt.
Auf der Kostenseite fällt auch die Komplexität der offenen Forderungen ins Gewicht: «Es geht um tausende, wenn nicht zehntausende Debitorenrechnungen, die noch abgearbeitet werden müssen. Die Situation mit den Margen, Kommissionen und Rabatten ist derart unübersichtlich, dass wir unter Umständen auch ehemalige Publicitas-Mitarbeiter als Insider beiziehen müssen.»
Um die exorbitanten Kosten zu decken und gleichzeitig zumindest einen Teil der offenen Gläubigerforderungen befriedigen zu können, ist das Konkursamt an einer möglichst grossen Konkursmasse interessiert. «Wir haben den Auftrag, die Rechte der Gläubiger bestmöglich wahrzunehmen», sagt der zuständige Notar-Stellvertreter.
Auch Zessionsverträge werden deshalb für das Konkursamt zentral: Denn ohne diese Abtretungen wäre die Konkursmasse grösser - und die Konkursdividende für die meisten betroffenen Gläubiger dadurch automatisch höher.
Die rechtlich komplexen Gebilde lässt das Konkursamt derzeit von einer Anwaltskanzlei analysieren. «Für das bestmögliche Ergebnis im Sinne der Gläubiger wird auch abgeklärt, ob Tatbestände für die zwangsvollstreckungsrechtliche Anfechtung der Abtretungen vorliegen.»
Nach Recherchen des Klein Reports käme im Fall der Zessionen an Thalos und Tamedia insbesondere eine paulianische Klage in Frage: Das Gesetz gibt dem Konkursamt nämlich die Möglichkeit, Rechtshandlungen eines überschuldeten Unternehmens - in diesem Fall die Publicitas - anzufechten, wenn sie nicht länger als ein Jahr vor der Konkurseröffnung vorgenommen worden sind und die anderen Gläubiger durch solche Handlungen benachteiligt werden.
Laut Gesetz müssten im Falle einer paulianischen Anfechtung Thalos und Tamedia sogar beweisen, dass sie als Profiteure der Zessionsverträge nichts von der Überschuldung der Publicitas gewusst haben. Ansonsten könnten die abgetretenen Forderungen doch noch zurück in die Konkursmasse wandern - sofern sich die Verlage, Thalos und Tamedia nicht noch vorher am runden Tisch einigen.