Pünktlich zum Prozessbeginn gegen den gefallenen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz ging die «Tagesschau» am 24. Januar der Frage nach, warum Schweizer Banken immer wieder für Skandale sorgen.
In dem dreiminütigen Beitrag kam unter anderem der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter zu Wort. Laut ihm haben die Skandale auch mit der Persönlichkeitsstruktur zu tun, die in der Finanzwelt gefragt ist.
«Narzissmus», «Machiavellismus» und «subklinische Psychopathie» und «Skrupellosigkeit» waren die von der Bankbranche «gefragten» Charakterzüge, die Fichter nannte.
Die Berichterstattung zum Persönlichkeits-Typus von Bankern sei «komplett undifferenziert und ist in dieser Form einer ‚Tagesschau‘ schlicht nicht würdig» gewesen, beschwerte sich eine Zuschauerin.
«Sie suggerieren, dass grundsätzlich nur Menschen mit schlechten Eigenschafen in Banken arbeiten. Ich selber arbeite seit über 18 Jahren in der Finanzwelt und kann Ihnen versichern, dass es sehr viele seriöse und integre Personen gibt – die Mehrheit ist von dieser Sorte.»
Wegen Skandalen um Vincenz und Co. sämtliche Mitarbeitenden in der Finanzbranche verallgemeinernd als Psychopathen zu bezeichnen, erachte er als «unseriösen, tendenziösen Journalismus».
Im Beitrag sei es nicht darum gegangen, Bankangestellte pauschal schlecht darzustellen, sondern zu erklären, warum die Finanzbranche «anfällig für Skandale» sei, verteidigte sich die «Tagesschau»-Redaktion gemäss einem neuen Ombuds-Bericht.
«Es besteht in der Finanzbranche ein gewisser Druck, hohe Erträge zu erwirtschaften», sagt der St. Galler Finanzmarkt-Professor Manuel Amman in dem Beitrag. «Da besteht halt manchmal die Versuchung, dass man zu hohe Risiken eingeht, um den Erwartungen gerecht werden zu können, was die Erträge angeht.»
Darauf erklärt dann der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter, welche Charaktermerkmale «in der Finanzwelt gefragt» seien. Im O-Ton sagt er: «Konkret gemeint ist hiermit eine Kombination aus Narzissmus, dass die Personen vor allem für sich selbst agieren; kombiniert mit Machiavellismus, das ist der Hang, andere zu übertölpeln; und auch eine subklinische Psychopathie, also eine Skrupellosigkeit.»
Die Kritik, die in der Aussage des von uns befragten Experten mitschwinge, betreffe nicht den «regulären Bankangestellten», sondern «das System an sich», befand die «Tagesschau»-Redaktion.
So sehen es auch die Ombudsleute. Die «Tagesschau» habe mit ihrer Banker-Typologie nicht suggeriert, dass nur Menschen mit schlechtem Charakter in Banken arbeiten würden. Das «Durchschnittspublikum» ordne Fichters Charakterisierung nicht der breiten Belegschaft, sondern den Verantwortlichen für die Skandale zu, sind die Ombudsleute überzeugt. Das Sachgerechtigkeitsgebot sei nicht verletzt worden.