Wer sich für Sport interessiert, stellt dieser Tage überrascht fest: Während in unseren Nachbarländern Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich praktisch um jede Uhrzeit irgendein Fernsehsender live von den Entscheidungen der Paralympics berichtet, ignoriert SRF den grössten Sportevent im Parasport tagsüber am TV-Bildschirm komplett.
SRF zeigt nur abends im Rahmen der Sendung «Para-Graf live 2024» vereinzelte Paralympics-Wettkämpfe zeitversetzt oder in Ausnahmefällen live. Auf Anfrage des Klein Reports begründet die SRF-Medienstelle den unsportlichen Entscheid folgendermassen: «Die Einbindung ins TV-Tagesprogramm ist aufgrund des Strukturprogramms, der sehr kurzfristigen Ansetzung der genauen Einsatz- respektive Sendezeiten sowie der Vielzahl an Kategorien und Entscheidungen nicht realisierbar».
Dennoch gibt SRF im Gespräch mit dem Klein Report etwas überraschend folgendes Versprechen ab: «Bei SRF verpasst das Publikum keine Schweizer Medaille: Entscheidungen mit Schweizer Beteiligung und internationale Highlights sind tagsüber im Web-Livestream zu sehen und abends im TV im Rahmen der über dreistündigen Livesendung «Para-Graf live». Und hat gleich noch einen technischen Ratschlag bereit: «Der Livestream kann mittels Hbb-TV oder der Play SRF App auf den Fernseher übertragen werden.»
Generell habe SRF die Berichterstattung zum Parasport in den vergangenen Jahren laufend ausgebaut, die Paralympics seien fester Bestandteil des breiten Sportangebots. «Dies wird auch von unserem Publikum und der Parasport-Community geschätzt, wir erhalten sehr viele positive Rückmeldungen. Insgesamt berichtet SRF nachweislich in ähnlichem Umfang live über die Paralympics wie beispielsweise ARD/ZDF oder ORF», behauptet die SRF-Medienstelle.
Weniger positiv fallen indes die Rückmeldungen von Menschen mit Sehbehinderung aus. Denn anders als ARD und ZDF strahlt SRF seine Paralympics-Sendungen gänzlich ohne Audiodeskription aus. Und damit nicht genug: Menschen mit Sehbehinderung stören sich bei der Sendung «Para-Graf live 2024» daran, dass die Einspielfilme über die porträtierten Sportlerinnen und Sportler für sie kaum verständlich sind.
Während es bei Sportinterviews üblich ist, dass die Fragen für alle deutlich hörbar von einer Reporterin oder einem Reporter gestellt werden, werden ausgerechnet in einer Sendung über Behindertensport die Fragen mittels musikuntermalter Einblendungen gestellt. Was dazu führt, dass Menschen mit Sehbehinderung den Interviews nicht folgen können.
Auf diese Schwachpunkte in der Paralympics-Berichterstattung angesprochen, antwortet SRF nur ausweichend: «SRF baut das Angebot laufend aus, auch im Bereich der Audiodeskription. Jüngst wurde damit begonnen, Liveübertragungen (von Fussballspielen) mit Audiodeskription anzubieten. Weitere Sportdisziplinen sind nächstes Jahr geplant.» SRF bekenne sich klar für einen barrierefreien Zugang zu möglichst allen Angeboten und erleichtere Menschen mit Hör- oder Sehbehinderung durch untertitelte, audiodeskribierte und gebärdete Inhalte die Teilhabe am TV-Angebot. «Noch ist dies nicht bei allen Sendungen und Beiträgen der Fall, insbesondere bei Live-Situationen oder im schnelllebigen Sportbereich», muss SRF zugeben.
Die Medienstelle rechnet dem Klein Report aber vor: «Für hör- oder sehbehinderte Menschen erstellt SRF ein vielfältiges, stetig wachsendes Angebot an speziell aufbereiteten Medieninhalten. So sind mittlerweile über 80 Prozent der Fernsehzeit untertitelt, darunter auch die Sendung ‚Para-Graf live‘.»
