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Donnerstag
01.09.2016

TV / Radio

Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hat entschieden, nur noch eingeschränkt über terroristische Attentate zu berichten. «Unter dem Eindruck der Kaskade von Terrorattentaten und Amokläufen dieses Sommers führten wir ausführliche Gespräche», erklärt Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor Radio SRF, gegenüber dem Klein Report auf Nachfrage. Resultat der Diskussionen war die Anpassung redaktionsinterner Richtlinien mit dem Ziel, die mediale Verbreitung von Terror einzudämmen.

«Terroristen und Amokläufer wollen Aufmerksamkeit und sie wollen Angst verbreiten», so Gsteiger. Basierend darauf haben sich Radio-Chefredaktorin Lis Borner, Fernseh-Chefredaktor Tristan Brenn und SRF-News-Bereichsleiterin Sandra Manca nach den Sommerferien auf eine neue SRF-Politik verständigt: Ab sofort sollen von Tätern keine Bilder oder Namen mehr gezeigt und genannt werden. Und um Terroristen nicht zusätzlich zu Ruhm oder Bekanntheit zu verhelfen, soll nur noch mit Zurückhaltung über ihre Taten berichtet werden.

Damit schlägt das SRF eine ähnliche Richtung ein wie bereits der «Tagesanzeiger» oder «Le Monde». Die geänderten Richtlinien werden derzeit «allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern via die internen Newsletter und via Intranet» zu Kenntnis gebracht, erklärt Gsteiger dem Klein Report weiter.

Fredy Gsteiger beschreibt anhand eines Beispiels, den Terroranschlägen vom 11. September 2001, wie eine SRF-Berichterstattung künftig aussehen könnte. «9/11 ist natürlich das vielleicht untypischste Beispiel der letzten Jahre», sagt Gsteiger vorweg. «Über ein Ereignis dieser Grössenordnung würden wir auch heute selbstverständlich ausführlich berichten, weil sich viele legitime Fragen stellen, auf die wir antworten müssen», so der stellvertretende Chefredaktor Radio SRF weiter.

Hingegen würde auf Bilder von Attentätern und Opfern verzichtet und die Namen der Ausführenden würden nicht genannt, lediglich jene der Drahtzieher. Und auch auf «ausführliche Täter-Biografien» würden die SRF-Redaktionen künftig verzichten, so Gsteiger. Der Klein Report möchte zudem wissen, wer beim SRF entscheidet, ob zensiert wird oder nicht, was «gut» und was «böse» ist.

Gsteiger erklärt, dass es nicht darum gehe, zwischen «gut» und «böse» zu unterscheiden. «Das ist oft eine Frage der politischen Sichtweise. Hingegen werten wir gewalttätige Angriffe auf Unbeteiligte, auf Zivilisten grundsätzlich als verbrecherisch. Wenn dahinter eine Organisation und eine politische Absicht stecken, sprechen wir von Terrorismus, wenn nicht, von individuellen Gewaltakten oder Amokläufen. Klar ist: Es gibt keinen `guten` oder legitimen Terrorismus», begründet Fredy Gsteiger dem Klein Report.

Geht die Entwicklung beim SRF in die Richtung, dass künftig auch extremistische politische Ansichten nur noch beschränkt verbreitet werden? «Wir sprechen in diesem Fall nicht von der Berichterstattung über Politik. Sondern um Gewalttaten, um physische Angriffe auf Menschen. Hier üben wir Zurückhaltung, künftig noch mehr als bisher schon», verneint Gsteiger.

Denn im Zusammenhang mit Terrorismus und Amokläufen seien Medien nicht nur Berichterstatter, sondern stets auch Akteure. «Terroristische Gruppierungen und Netzwerke, aber auch Individual-Gewalttäter setzen sehr stark auf die Propagandawirkung ihres Tuns und verbreiten bewusst - gerade auch über das Medienecho - Angst in der Bevölkerung», sagt Fredy Gsteiger abschliessend gegenüber dem Klein Report.