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Montag
17.01.2022

TV / Radio

«Es gibt etliche Beweise von klar antisemitischen Äusserungen von Highsmith, die nicht interpretier- oder auslegbar sind», schreibt die Ombudsstelle. (Bild © SRF)

«Es gibt etliche Beweise von klar antisemitischen Äusserungen von Highsmith, die nicht interpretier- oder auslegbar sind», schreibt die Ombudsstelle. (Bild © SRF)

Die Macher einer «Kontext»-Sendung über Patricia Highsmith haben es versäumt, der Aussage einer Lektorin zu widersprechen, die berühmte Thriller-Autorin sei «nicht judenfeindlich» gewesen.

Thema des gerügten Podcasts «Kontext» vom 29. Oktober 2021 war die Veröffentlichung von Tage- und Notizbüchern der US-amerikanischen Schriftstellerin Patricia Highsmith durch deren Lektorin Anna von Planta. Ein Zuhörer moniert, dass in der Sendung Highsmith’ Antisemitismus unwidersprochen beschönigt und entschuldigt werde.

Antisemitische Aussagen von Patricia Highsmith seien keine einzelnen, verbalen «Ausrutscher» gewesen, so der Beanstander. Die Schriftstellerin habe sich wiederholt antisemitisch geäussert, sich selbst als «Judenhasserin» bezeichnet sowie Holocaust-Opfer verhöhnt. Und die Lektorin Anna von Planta habe bei der Edition der Tage- und Notizbücher antisemitische Äusserungen von Highsmith unterschlagen oder verharmlost.

Die Redaktion verteidigte sich damit, dass der Fokus des Podcasts auf Anna von Planta gelegen habe. In der Sendung sei es hauptsächlich um die erste Begegnung von Plantas mit Patricia Highsmith gegangen, die Zusammenarbeit mit der Autorin, die Suche nach den Tagebüchern und um allfällig neue Einsichten in Leben und Werk. 

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Edition und Editionsarbeit der Tage- und Notizbücher sei nicht im Zentrum gestanden.

Rückblickend hätte man jedoch Anna von Plantas Bemerkung, Highsmith sei nicht judenfeindlich gewesen, nicht so stehenlassen, sondern «präzisieren» sollen – so die Formulierung der SRF-Verantwortlichen in ihrer Stellungnahme.

Dass im gut 27-minütigen Podcast dem Thema Antisemitismus nur rund anderthalb Minuten gewidmet wurden, verstösst für die Ombudsstelle an sich noch nicht gegen die Standards. 

Brigitte Spichiger benannte im Podcast Highsmith’ Antisemitismus, indem sie auf die Frage von Bernhard Senn sagt, «ja, die gibt es». Gemeint waren die «ausfälligen, rassistischen, antisemitischen Äusserungen». 

Auf die Frage, wie Anna von Planta damit umgegangen sei, bettet Spichiger den Umgang der Lektorin mit diesen Vorwürfen durch den Hinweis auf das Vorwort zwar ein. Anschliessend kommt von Planta aber im O-Ton zu Wort: «Sie war nicht judenfeindlich, sie war gegen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern. Das wurde ihr als judenfeindlich ausgelegt. Was aber nicht stimmt».

«Ein breites Publikum kennt Patricia Highsmith als Thriller-Autorin. Den wenigsten dürfte bewusst sein, dass sie misanthropische, rassistische und antisemitische Äusserungen machte. Es gibt etliche Beweise von klar antisemitischen Äusserungen von Highsmith, die nicht interpretier- oder auslegbar sind, sondern als das genommen werden müssen, was sie sind: antisemitisch», so der Klartext der Ombudsleute.

Weil die abschliessenden Worte der Lektorin («nicht judenfeindlich») von den beiden Sendungsleuten unwidersprochen stehen gelassen wurden, «bleibt bei der breiten Zuhörerschaft der Eindruck, dass Highsmith nicht antisemitisch war», schreibt die Ombudsstelle dazu.

Damit wurde das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.