Nicht weniger als ein Viertel aller Beanstandungen, welche die SRF-Ombudsstelle im letzten Jahr behandelte, betraf die Berichterstattung über den Nahost-Krieg.
«Die Polarisierung in der Gesellschaft bekommen die Redaktionen und auch die Ombudsstelle täglich zu spüren. Im Jahr 2024 ganz besonders bei diesen drei Themenfeldern: Nahost, AfD und Wahlen in den USA», schreiben die beiden Ombudsleute Esther Girsberger und Urs Hofmann in dem am Freitag publizierten Jahresbericht.
Um das Beispiel Nahost herauszupicken: «So unversöhnlich, kompromisslos und dialogverweigernd sich die beiden Kriegsparteien in Nahost gegenüberstehen, so unversöhnlich, kompromisslos und dialogverweigernd war auch der grösste Teil der Eingaben des ‚pro palästinensischen‘ und des ‚pro israelischen‘ Lagers», so die beiden Ombudsleute weiter.
Rein zahlenmässig waren beide Lager bei den Beanstandungen ungefähr gleich vertreten.
Girsberger und Hofmann gehen mit den Personen, die etwas zu beanstanden hatten, hart ins Gericht: Mehrheitlich habe ihnen die Bereitschaft gefehlt, sich mit der anderen Meinung auseinanderzusetzen und in vielen Fällen sei die eigene Ansicht argumentativ wenig begründet oder konkretisiert worden: «Die Fakten wurden umgedeutet, bis sie zur eigenen Ideologie passten.»
Die vielen Whatsapp-Gruppen und andere Kanäle der sozialen Medien führten durch die Wiedergabe einseitiger Nachrichten zu vielen «Massenbeanstandungen», teils auch anonym.
Und die beiden Ombudsleute stellen sich explizit hinter die Nahost-Berichterstattung von SRF: Diese sei «grösstenteils sachgerecht» gewesen. Verstösse gegen das Sachgerechtigkeitsgebot hätte es zwar gegeben, diese seien aber «die Ausnahme» gewesen.
Am meisten kam es beim Live-Ticker zum Nahostkrieg zu Verstössen gegen Artikel 4 des Radio- und Fernsehgesetzes. Als zum Beispiel ein Spital in Gaza durch Israel bombardiert wurde, titelte SRF im Live-Ticker vorschnell: «Israel bombardiert Hamas-Zentrale in Gaza».
Das war aus Sicht der Ombudsstelle nicht sachgerecht, auch wenn in den folgenden Zeilen dann genannt wurde, dass diese Information von der israelischen Regierung stammte. Denn zum Zeitpunkt des Angriffs stand überhaupt nicht fest, dass es sich wirklich um eine Hamas-Zentrale handelte.
Ein zweites Aufreger-Thema war die US-Präsidentenwahl. SRF habe sich in der Interpretation des Wahlergebnisses «zurückgehalten», schreiben die Ombudsleute weiter. «Allerdings gehört es zu einer differenzierten Berichterstattung, auch den Stil und den Auftritt Trumps zu beschreiben. Provokationen, Polarisierungen, sexistische Bemerkungen des Präsidenten und gewisse personelle Nominationen sind ebenso zu nennen wie die Berichterstattung über seine umstrittenen wirtschaftlichen und aussenpolitischen Pläne, ohne dass SRF die Wahl Trumps in Zweifel gezogen hätte.»
Ähnliches galt für die Wahlen in Deutschland. Wann immer im Zusammenhang mit der demokratisch gewählten AfD der Begriff «rechtsextrem» fiel, gingen Beanstandungen ein, die forderten, dass SRF neutral und objektiv berichtet und keine politische Stellung beziehe.
«In der Wahl der Begrifflichkeit muss SRF weder neutral noch objektiv sein. Die Begriffe müssen einfach zutreffen», heisst es im Jahresbericht dazu.
Mehrere Gerichte in verschiedenen Bundesländern hätten Klagen der AfD gegen die Einstufung als «rechtsextrem» oder «rechtsextremer Verdachtsfall» zurückgewiesen.