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Sonntag
14.03.2021

Digital

Die Rauchwolke über dem Rheinufer war einmal eine Cloud...           (Bild: Twitter)

Die Rauchwolke über dem Rheinufer war einmal eine Cloud... (Bild: Twitter)

«Spinnt mein Compi schon wieder?», fragte sich der Redaktor des Klein Reports, als am Donnerstag gleich fünf seiner liebsten Webcams meldeten: «Der Server antwortet nicht.»

Im Verlaufe des Tages dann eine erste Aufklärung beim Anklicken der Seiten: «Ein Grossbrand hat unseren Server zerstört. Wir bitten Sie um etwas Geduld.»

Inzwischen ist die ganze Information über Google zusammengetrommelt. Beim französischen Unternehmen OVHcloud in Strassburg ist ein Feuer ausgebrochen. 100'000 Server sind dort am Rheinufer installiert. Von der vollständigen Zerstörung von einem der vier Datenzentren sind 12’000 Server betroffen, in einem zweiten Datenzentrum wurden vier von 12 Rechnersälen vernichtet.

Nach Angaben des Unternehmens, das sich als führender Cloud-Anbieter Europas sieht, sind oder waren 12’000 bis 16’000 Kunden von dem Feuer betroffen. Der britische Datensammler Netcraft berichtete, dass am Mittwochvormittag zeitweise 3,6 Millionen Webseiten von 464’000 Domain-Namen vom Netz gingen.

Der Gründer und Vorstandsvorsitzende von OVHcloud, Octave Klaba, schrieb auf Twitter: «Kein Wort ist stark genug, um auszudrücken, wie sehr mir das leidtut.» Er tue alles in seinen Kräften Stehende, um den Betrieb wieder schnell hochzufahren.

Das im Jahr 1999 gegründete französische Unternehmen betreibt auf der ganzen Welt zwar rund 30 weitere Datenzentren, dennoch ist der Unfall wirtschaftlich eine Katastrophe. Wenige Tage vor dem Feuer hatte OVHcloud Pläne für einen Börsengang angekündigt. Bei diesem wollte das Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro lösen.

Wie die französische Webzeitung Le Journal du net berichtet, gab es in dem zerstörten Datenzentrum nur Alarmsysteme, doch keine Sprinkleranlagen oder ähnliche automatische Mittel zur Feuerbekämpfung.

Nach Angaben von Netcraft waren vor allem Webseiten in Frankreich betroffen, wo OVHcloud mit Abstand der Marktführer ist. So gingen die Regierungsseite data.gouv.fr, die auch wichtige Informationen zur Corona-Krise aufbereitet, vom Netz, die Webseiten vieler Kommunen sowie das Online-Angebot des Centre Pompidou oder des Versicherers Maif.

Ausserhalb Frankreichs wurde die britische staatliche Internetseite für die Fahrzeugregistrierung zeitweise abgeschaltet oder zum Beispiel die Seite eines polnischen Finanz-Ombudsmannes.

Auch die Hacker wurden von den Flammen nicht verschont. Nach Angaben der IT-Sicherheitsfirma Kaspersky Lab nutzen Hacker und kriminelle Gruppen 140 Server von OVH. 36 Prozent davon waren nicht mehr funktionsfähig, twitterte Kaspersky-Sicherheitsfachmann Costin Raiu. Akteure, die sich bis in den Iran, Indien oder Vietnam zurückverfolgen liessen, seien betroffen.

Unklar ist noch, wie viel Daten unwiderruflich verloren gingen. Doch der Umfang könnte erheblich sein. OVHcloud bietet seinen Kunden Angebote mit unterschiedlichen Sicherheitsniveaus, deren Preise dementsprechend variieren. Nicht von allen Daten gibt es somit Kopien.

OVH galt bisher als eine französische Erfolgsgeschichte. Mehr als 2’200 Mitarbeitende sorgen für einen Umsatz, der sich 2019 auf 600 Millionen Euro belief und heute deutlich höher liegen dürfte. Auf seiner Webseite berichtet das Unternehmen von 1,5 Millionen Kunden.