Die «Basler Zeitung» griff grosszügig zum Plural, obwohl sie nur eine einzige Sex-Affäre bei der Gewerkschaft Unia belegen konnte. Auch fehlte die Gegenposition zu den erhobenen Vorwürfen, rügt der Presserat.
«Aufstand in der Unia» titelte ein Artikel von Dominik Feusi am 9. April in der «Basler Zeitung» (BaZ). Der abgewählte Präsident der Sektion Berner Oberland spricht darin davon, dass die Gewerkschaftszentrale Beschlüsse des Kongresses nicht umsetze. Andersdenkende würden «wie Aussätzige» behandelt. Wer der Zentrale nicht passe, werde «eliminiert».
Die BaZ weitete die Geschichte aus und schrieb auch von mehreren «Sex- und Mobbing-Skandalen» innerhalb der Gewerkschaft, von Streik-Androhungen, von einem Regionalleiter, der wegen sexueller Belästigung gehen musste. Von angeblich mehreren Sex-Affären belegt die BaZ jedoch lediglich eine.
Allerdings scheint der Plural weniger der Skandalisierungslust, als einem grammatikalischen Patzer geschuldet zu sein. In vier Fällen beziehen sich die Plurale im Artikel nicht auf «Sex-Affären», sondern auf die Kombination «Sex- und Mobbing-Affären» beziehungsweise «Sex- und Mobbing-Skandale».
«Damit wird auch keine unbelegte Behauptung verbreitet», schreibt der Presserat in seiner Stellungnahme. Weil die BaZ aber auch schrieb: «Es gab Hassmails, Sex-Affären, fristlose Entlassungen und Gerichtsverfahren», musste die Leserschaft den Plural eben doch unzweideutig auf den Sex beziehen. Damit hat die BaZ die Wahrheitspflicht verletzt.
In ihrer Print-Ausgabe verletzte die Zeitung laut Presserat zudem das Recht auf Anhörung bei schweren Vorwürfen. Während auf bazonline.ch ein Interview mit der Präsidentin der Unia beigestellt wurde, ist dieses in der Papierversion nicht erschienen.
Dass es sich dabei laut BaZ um einen «Fehler in der Produktion» gehandelt habe, ändert nichts daran, dass der Artikel ohne faire Wiedergabe einer Gegenposition erschienen war. Die Position der Unia war einzig im Schlusssatz thematisiert mit dem Satz: «Die Unia betonte hingegen, dies sei ‘statutenkonform’ geschehen.» Für den Presserat genügt das nicht als Gegenposition.
Keinen Erfolg hatte die Unia vor dem Presserat aber mit dem Vorwurf, die BaZ habe Informationen unterdrückt, indem sie nicht über die Kassation eines Urteils und den anschliessenden Rückzug der Strafanzeige wegen Mobbing berichtet hatte.
«Die BaZ hatte nicht behauptet, es liege ein Urteil vor. Dass sich ein Neuenburger Gericht mit dem Mobbing-Vorwurf auseinandersetzen musste, trifft zu.»