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Donnerstag
07.01.2016

TV / Radio

Kabarettist Serdar Somuncu

Kabarettist Serdar Somuncu

Im Vorfeld der Wahlen 2015 wirft das Schweizer Fernsehen (SRF) mehrere politische Sendungen mit kritischem SVP-Gehalt aus dem Programm und erntete dafür Spott, Häme und Kritik. Die Wahlen gewann, wie ständig prophezeit, die SVP, übrigens nicht zuletzt dank ständiger SVP-Thematisierung durch SRF (Stichwort Demoskopie).

Zum Jahresauftakt nun ein neuer Zensurvorwurf: Der Deutsch-Türke Serdar Somuncu soll wegen Blocher-Beschimpfung und Nazivergleichen aus dem Programm zum Arosa-Humorfestival gekippt worden sein. Hat SRF wieder vor der SVP gekuscht oder nur einen Beitrag redaktionell gekürzt?

Für den Klein Report kommentiert Medienexpertin Dr. Regula Stämpfli. Serdar Somuncu ist in Deutschland sehr beliebt. Kein Wunder wurde er zum Arosa Humor-Festival eingeladen. Sein Stand-up, das von SRF gestrichen wurde, klang laut Facebook ungefähr so: «Die schlechte Nachricht ist: Ich bin Türke. Die Gute ist: Ich glaube nicht an Gott. Der Laden ist also sicher. Noch! Ehrlich gesagt, ich bin wirklich froh, hier sein zu dürfen. Denn ich bin auf der Flucht. Nicht aus Syrien. Sondern von Deutschland in die Schweiz. Die Deutschen sind mir zu weich geworden. Die sind mittlerweile sogar freundlich zu Flüchtlingen. Da lobe ich mir die Schweizer. Sie sind wenigstens aufrichtige Nazis. Wenn Ihnen was nicht passt: Ausschaffungsinitiative und Zack sind die Ausländer wieder raus. Gegen Ihren Christoph Arschblocher ist der Höcke von der AfD ein blutiger Anfänger.»

Ein derartiger Auftritt ist weder besonders prickelnd, noch ist es automatisch Zensur, wenn er nicht ausgetrahlt wird. Andererseits entlasten die Vorfälle in Vergangenheit, wie das verschobene Gespräch von Stefan Zweifel mit Robert Menasse und die neu terminierte Dokumentation zu SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, SRF nicht wirklich.

Deshalb glauben viele in der Causa Somuncu der offiziellen Erklärung «redaktionelle Auswahl» von SRF eben nicht. Offensichtlich ist: Seit der Einführung der Mediensteuer ist die Politisierung der gesamten SRG inklusive Kritik öffentlich-rechtlicher Medienalltag geworden. Wir werden auch in Zukunft viel von «Zensur» zu hören bekommen: Skandalisierung verkauft sich immer gut.

Weshalb die SRG-Leitung indessen bei jeder Zensurstory so nervös reagiert, wirft neue Fragen auf. Weshalb so defensiv? Schliesslich ist die Mediensteuer eingeführt, die Chefgehälter so obszön wie immer, das Sparprogramm auf dem Rücken der Redaktionen und Techniker durchgezogen. Also was soll das wehleidige Getue der SRG-Spitze?

Es geht eben um etwas ganz anderes. Die Arosa-Humorposse ist nur Beigemüse in der heftigen politischen Auseinandersetzung um öffentlich und privat. In Zeiten ökonomischer Grausamkeit ist das Modell Grundversorgung, Mediensteuer und Wettbewerb verfassungsrechtlich und redaktionell mehr als wackelig. Also ist zu vermuten, dass die SRG-Oberen im vorauseilenden Gehorsam jede andere Reibungsfläche vermeiden wollen, sprich: Politisch brisante Sendungen werden aus dem Programm gekippt, damit alles andere, was schief läuft, nicht zur Sprache kommt.

Beispielsweise der umstrittene Deal zwischen SRG, Swisscom und Ringier. Da liegt der Hund begraben und nicht in einem kleinen Arschblocher-Witz, den nun niemanden wirklich stört, wohl am wenigsten auch Christoph Blocher selbst, der schon ganz anderes kommentarlos eingesteckt hat. Es geht ums Agenda-Setting: Macht hat, wer die wirklich relevanten Fragen zu verhindern weiss. Damit auch morgen noch über Zensur geschrieben werden kann, während eine halbstaatliche-halbprivate Datenkrake (Stichwort Swisscom-Deal) unbehindert alles kontrollieren kann.