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Dienstag
16.08.2011

Welch ein Rauschen im Schweizer Blätterwald! Wissentlich und unbedarft vom Schweizer Fernsehen angezettelt. Die neue Kulturchefin Nathalie Wappler setzte eine zweifelhafte Marke, als sie die Ausstrahlung des neuen Schweizer «Tatort» im April bremste und Eingriffe - sprich «Nachbesserungen» - verfügte. Wie sich herausstellte, wars weder mangelhafter Luzerner Lokalkolorit noch der Busen der Glamour-Kollegin aus den USA, Sofia Milos («CSI Miami»), nach dem Kommissar (Stefan Gubser) gelüstete, sondern eine Figur im Hintergrund.

Wie die «NZZ am Sonntag» aufdeckte, passte TV-Chef Rudolf Matter nicht, dass die Rolle der grauen Eminenz im Rollstuhl in SVP-Nähe gerückt wurde. Nach der Ausstrahlung am letzten Sonntag zieht Rolf Breiner, Film-Experte des Klein Report, eine Bilanz.

Die angesprochenen «Nachbesserungen» haben den ersten Schweizer «Tatort» (Wunschdenken) nicht besser, sondern nur schweizerisch abgeschliffen und bieder gemacht. Nachgebessert werden musste auch die deutsche Synchronfassung auf Druck der ARD, die Kommissar Flückiger (Gubser) als Schweizer ausweisen sollte.

Die Angst des Schweizer Fernsehens vor möglichem Anecken bezüglich rechter Politszene ist frappant. Man glaubt wohl immer noch, dem Klischee des «linken Fernsehens», wie es immer wieder auch von SVP-Seite heruntergeleiert wird, Paroli zu bieten, und will ja keine Angriffsfläche bieten.

So ist es nicht verwunderlich, dass der erste Schweizer «Tatort» nach rund zehn Jahren Abstinenz bierernst, langweilig und lahm daherkommt (bis auf eine unbeholfene Schiesserei).

Das Sprachkauderwelsch in «Wunschdenken» ist komplett - von Zürich bis Bern und Graubünden. Innerschweizer Dialekt wird nur von ein, zwei Nebenfiguren gesprochen. In der deutschen ARD-Version herrscht eingefärbtes Bühnendeutsch vor, Gubser, die Witwe des Opfers, ein Detektiv und ein paar andere mühen sich mit schweizerischem Schriftdeutsch ab.

Um die Kollegin aus den USA, Sofia Milos, wurde im Vorfeld viel Medien-Lärm gemacht. Die Darstellerin mit coolem Sexappeal spricht Dialekt - erstaunlich. Sie macht augenscheinlich eine gute Figur, wobei ihre erotische und schauspielerische Ausstrahlung freilich arg cool und künstlich wirken.

Die Kommissar-Figur Flückiger war bereits aus den Bodensee-«Tatorten» mit Eva Mattes bekannt. Hier wirft er nun in Luzern Anker, in der Leuchtenstadt, die Kameramann Rainer Klausmann («Der Baader Meinhoff Komplex») postkartenschön ablichtet.

Stefan Gubser, Kommissar und Co-Produzent (Tellfilm), ist wie er ist: Ein netter pflichtbewusster, währschafter Eidgenosse, Junggeselle im «Tatort» notabene. Ihm als bravem Kommissar fehlen Ecken und Kanten, dafür hat er einen soliden schweizerischen Charakter.

Die Story, ein bisschen verzwickt, gleichwohl beliebig, wird kompliziert aufgelöst und reisst nicht vom Hocker. Markus Imboden («Komiker», «Bella Block») hat den Krimi inszeniert und ärgert sich gemäss «Blick» über die holprige, dilettantische Synchronfassung.

Die Erwartungen nach dem Medienrummel um den ersten «Tatort» made in Switzerland waren hoch und wurden nur minimal erfüllt. Er hat keinen Biss, kein Pfeffer trotz Two-Night-Stands. Es fehlt an Charakteren, an kernigen Typen - trotz Andrea Zogg als Kripo-Chef oder Sabina Schneebeli als Spurensicherin. Man muss von Schweizer Seite in den nächsten Folgen um einiges zulegen, um sich in der Champion League der «Tatorte» halten zu können. Sonst stehen Flückiger & Co auf einem Abstiegsplatz!