«Probleme mit ukrainischen Flüchtlingen in privaten Haushalten häufen sich» titelte die «SonntagsZeitung» am 12. Juni 2022.
Darin ging es um zwischenmenschlichen und interkulturellen Zoff zwischen Gastfamilien und ukrainischen Flüchtlingsfamilien. Immer häufiger wollten sich diese vor dem vereinbarten Zeitraum wieder trennen.
Um die möglichen Konflikte zu illustrieren, zitierte die Zeitung Aussagen, die aus einer privaten Facebook-Gruppe stammten, die als Selbsthilfegruppe für Gastfamilien eingerichtet worden war.
Erwähnt wurden teils harmlosere Wortwechsel, aber auch Handgreiflichkeiten. Zudem fehlte es aus Sicht der Gastfamilien an Unterstützung seitens der Vermittlerorganisationen und der Behörden.
Im Artikel waren die Aussagen zwar anonymisiert. Die Personen, die in der Facebook-Gruppe aktiv waren, wussten jedoch nicht, dass ein Journalist in der Gruppe auf Recherche war, und ebenso wenig, dass ihre Äusserungen verwendet werden würden.
Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Journalisten hätten unlauter recherchiert, da einer der beiden sich «durch Täuschung» Zutritt zur privaten Facebook-Gruppe verschafft und Zitate daraus kopiert und «leicht» abgeändert habe.
«Der Journalist hatte es unterlassen, sich als Journalist zu erkennen zu geben, was der Schweizer Presserat rügt», kommt das Gremium nun zum Schluss.
Sich zu erkennen zu geben, sei die Pflicht eines jeden Journalisten, der im Rahmen einer Recherche Informationen und Meinungen einholt – unabhängig davon, ob es offline oder online geschieht.
«Dies gilt auch, wenn der Journalist ohne weitere Angaben von Gründen der privaten Facebook-Gruppe beitreten konnte.»
Ausserdem empfand es die Beschwerdeführerin als unlauter, dass zwei Fallbeispiele, die in der Facebook-Gruppe diskutiert worden waren, in einem separaten Kasten breiter ausgeführt wurden.
Hier sah der Presserat keinen Verstoss. Diese «Kasten-Texte» seien an sich noch keine Überhöhung, da es sich um die eigentlichen Quelltexte handle, auf die sich der Artikel bezieht.