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Freitag
17.11.2017

Medien / Publizistik

Enderlin und Bjorgvinsson waren inhaftiert

Enderlin und Bjorgvinsson waren inhaftiert

Eigentlich wollten der Kameramann Jon Bjorgvinsson und der Journalist Serge Enderlin über die Louvre-Eröffnung in Abu Dhabi berichten. Aber als sie gerade einen Marktplatz filmten, tauchte die Polizei auf: Die beiden Reporter des Westschweizer Radio- und Fernsehens (RTS) wurden am 9. November verhaftet und sassen 50 Stunden lang im Gefängnis.

Dabei wurden sie mehrmals verhört und noch bevor sie in die Schweiz zurückkehren konnten, konfiszierten die lokalen Behörden ihr Filmmaterial.

Im Gespräch mit dem Klein Report rekapituliert Bjorgvinsson die Geschehnisse in Abu Dhabi und erklärt, was er auf dem Marktplatz am Stadtrand, abseits von der Louvre-Eröffnung, überhaupt filmen wollte.

Jon Bjorgvinsson, wie verlief die Festnahme?
Jon Bjorgvinsson: «Wir filmten eine Szene auf einem Marktplatz im Stadtteil Mussafah. Dort wohnen viele Arbeitsmigranten aus Pakistan, Indien und Bangladesch. Auf dem Markt wurden verschiedenste Produkte angeboten, wie beispielsweise die von einem Pakistani verkauften Kleider. Plötzlich standen Polizisten neben uns und fragten, ob wir hier gefilmt hätten. Dann nahmen sie uns in die nächstgelegene Polizeistation mit.»

Das National Media Council kümmert sich um die Presseaktivitäten in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wurden Sie aufgrund fehlender Bewilligungen verhaftet?
Bjorgvinsson: «Die Drehbewilligung war auf Arabisch und deshalb war es nicht einfach zu verstehen, wo wir filmen und nicht filmen durften. Uns wurde später erklärt, dass es sich eigentlich um keine Drehbewilligung handelte, sondern nur um eine Erlaubnis, um unsere Kameraausrüstung einzuführen. Wir durften also die Kamera einführen, aber nicht damit filmen, was etwas komisch klingt. Auch die Papiere am Zoll für unser Material hatten wir dabei. Aber als die Polizei am Marktplatz eintraf, erklärten sie, dass unsere Aktionen illegal waren. Obwohl wir alles taten, was verlangt wurde, und die Presse-Akkreditierung trugen, wurden wir verhaftet.»

Danach wurden Sie von ihrem Kollegen Enderlin getrennt. Was hat man Ihnen in der Haft angetan?
Bjorgvinsson: «Genau, wir wurden isoliert eingesperrt. Die Beamten nahmen mir meine Uhr und das Mobiltelefon ab und verhinderten damit, dass ich mit der Aussenwelt kommunizieren konnte. Uns wurden auch einmal die Augen verbunden. Körperlich oder handgreiflich wurden sie zwar nie, aber die mehrmaligen Verhöre waren streng und dauerten lange.»

Sie wurden erst nach 50 Stunden, in der Nacht auf Sonntag, wieder freigelassen. Wie waren die Haftbedingungen?
Bjorgvinsson: «Die Behörden begegneten uns mit Respekt und gaben uns regelmässig Essen und Trinken. Natürlich war es hart, aber gleichzeitig wussten wir, dass wir halt in Abu Dhabi sind - hier wird man immer überwacht. Wir beide haben derartige Erfahrungen schon in anderen Ländern erlebt, aber so intensiv war es noch nie.»

Wofür wollten Sie das Filmmaterial, das Sie auf dem Marktplatz aufgenommen haben, verwenden? Standen die Aufnahmen überhaupt im Zusammenhang mit der Louvre-Eröffnung?
Bjorgvinsson: «Es sollte eine Generalbetrachtung werden: Wir wollten auch aufzeigen, was hinter den glitzernden Prunkbauten des Golfstaates steckt. Die Arbeitsmigranten aus Asien sind nämlich diejenigen, die Abu Dhabi und Dubai für schlechte Löhne bauen. Doch die Behörden sind sehr sensibel: Sie wollen sicherstellen, dass sich das Image der Vereinigten Arabischen Emirate wegen solcher Berichte nicht verschlechtert. Und wohl darum wurden unsere Aufnahmen und die Ausrüstung konfisziert.»

Wie wurden Sie und Serge Enderlin schliesslich freigelassen?
Bjorgvinsson: «Wir mussten ein auf Arabisch verfasstes Dokument unterschreiben. Danach wurden uns zwei Optionen angeboten: Erstens hatten wir die Möglichkeit, unsere Verhaftung vor dem Gericht in Abu Dhabi anzufechten - ohne sichere Ausgangslage. Die Alternative war, ein Geständnis abzulegen, in dem wir zugeben, dass wir ohne Bewilligung gefilmt hätten. Dieses Geständnis wurde auch gefilmt, fast wie bei Geiselnahmen. Nachdem wir das gemacht haben, wurden wir - wiederum mit verbundenen Augen - zum Flughafen geführt. Aber alles, was wir hatten, wurde beschlagnahmt: Kameraausrüstung, Laptops - und das ganze Filmmaterial. Wir hatten aber vorher fast alles, was wir gefilmt haben, aus Sicherheitsgründen aus dem Land geschickt.»