«Ein Streichelzoo ist der ‚Blick’-Newsroom nie gewesen»: Mit dieser boulevardesken Aussage versucht Marc Walder in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» auf den Schnellschuss-Abgang von Jonas Projer bei Blick TV zu reagieren.
Der ehemalige «Arena»-Moderator war knapp zwei Jahre als Chef beim prestigeträchtigen Ringier-Projekt dabei. Projer selber kündete das Projekt beim Start im Februar 2020 so an: «Ringier hat den Mut, das Fernsehen zu erobern und fürs Internet neu zu erfinden.»
Ihn selber hat der Mut offenbar verlassen, denn ein klassisches Stück an news leak ballerten die Zeitungen von CH Media am Donnerstagabend in die Welt raus und verkündeten Projers Wechsel zur «NZZ am Sonntag», wo der TV-Journalist als Chefredaktor verpflichtet worden sei. Die Journalisten von CH Media, dem Joint-Venture der AZ Medien und der NZZ-Regionalmedien, haben direkte Drähte innerhalb des Medienkonstrukts.
Die Indiskretion erwischte Ringier-CEO Marc Walder dementsprechend auf dem falschen Fuss. Gegenüber dem Journalisten Rico Bandle von der «SonntagsZeitung» erklärt Walder, dass ihn Projer vor einer Woche informiert habe. «Der Wechsel von Jonas Projer kam überraschend für mich», lässt sich Walder zitieren, der das Interview gemäss Zeitung auf eigenen Wunsch schriftlich führte. «Wir haben zweimal dreissig Minuten telefoniert. Ich habe mich am Ende bei ihm bedankt. Und ihm viel Erfolg bei der ‚NZZ am Sonntag‘ gewünscht. Beides herzlich.»
Auf die Frage, ob Ringier einen Mediator («Product Owner») einsetzen musste und es zwischen Projer und Kadermitarbeitern zu Spannungen gekommen sei, einzelne auch das Gespräch mit ihm verweigert hätten, schreibt Marc Walder: «Vorab: Ein Product Owner ist Standard in modernen Newsrooms. Dann: Ein Streichelzoo ist der Newsroom der Blick-Gruppe nie gewesen! Es wird gerungen um journalistische Fragen und Linien, es wird gekämpft um Millionen-Budgets, um - immer mehr (!) - technologische Ressourcen.»
Ob es am Zwischenmenschlichen gelegen habe? Denn das Projekt sei «trotz üppiger Mittel und zum Teil sehr guten Inhalten nur harzig vorangekommen», fragt Bandle. Projekt-Chefs aller Bereiche verlangten Speed und Mittel für ihre Anliegen, antwortet Walder dazu. «So auch Projer. Ich habe das mitbekommen. Versucht zu orchestrieren, schlichten. Zusammen mit Ladina Heimgartner und Christian Dorer. Manchmal gelang es. Manchmal nicht. Ein Grund für den Abgang war das nicht.»
Gemäss der «SonntagsZeitung» habe man auf der Redaktion den Klickzähler abgestellt, da die Werte schlecht gewesen seien. Davon weiss Walder aber nichts, wie er mitteilt. Der Riniger-CEO gibt für Blick TV täglich 600’000 Unique User und 1,03 Millionen View-Sessions an. Viel wichtiger sei aber, so Walder: «Wir werden weiter wachsen. Wir sind auf Kurs.»
Gemäss Recherchen des Klein Reports steht Blick TV zwischen dem fünf- und sechsfachen unter den budgetierten Umsatzzahlen in der Werbevermarktung. Auf die Frage «Ist die Gewinnschwelle in Sichtweite?», gibt Walder keine konkrete Antwort: «Das Ganze (Technologien, Studios, Mitarbeiter/innen, Vermarktung etc.) ist gut und gerne eine 10-Millionen-Kiste. Payback planen wir für die nächsten Jahre.»
Und etwas auf Emphatie für sich selber zielend: «Ehrlich gesagt: Digitale Projekte, so mein Learning nach 15 Jahren Transformation, sind super herausfordernd punkto Return-on-Investment-Planung. Man bewegt sich ja meist in einer Welt des Neuen. Sonst wäre es ja auch keine Innovation. Und Neues ist schwieriger planbar als Bestehendes.»