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Sonntag
12.09.2021

Medien / Publizistik

Tamedia lässt bei der Quellentransparenz zu wünschen übrig: Wer den Primeur brachte, hätte schon auf der Front benannt werden müsse, sagt der Presserat. (Bild Screenshot)

Tamedia lässt bei der Quellentransparenz zu wünschen übrig: Wer den Primeur brachte, hätte schon auf der Front benannt werden müsse, sagt der Presserat. (Bild Screenshot)

Die «Republik» und das «Handelsblatt» hatten im März als Erste über das Daten-Leck bei meineimpfungen.ch berichtet. Die Tamedia-Zeitungen machten die Story gross auf – und nannten die Quelle des Primeurs erst sehr, sehr spät.

Ende März erschienen in den Tamedia-Zeitungen Beiträge über Probleme mit der Datensicherheit bei der digitalen Impfplattform meineimpfungen.ch. 

Dies, nachdem das Online-Magazin «Republik» und das deutsche «Handelsblatt» am Vortag publik gemacht hatten, dass es Hackern ohne grossen Aufwand gelungen sei, auf Angaben über Geimpfte auf dieser Datenbank zuzugreifen.

«Nach Datendebakel: Jetzt soll der Staat die Geimpften selber registrieren» titelte der «Tages-Anzeiger» am 24. März auf der Front. Auf der Seite 2 erschien ein Kommentar zum gleichen Thema, auf Seite 3 dann ein ganzseitiger Bericht über den «Daten-GAU für den Impfausweis». 

Brisant: In den ersten beiden Texten ist von der Urheberschaft von «Republik» und «Handelsblatt» an der Enthüllung gar nicht die Rede, im dritten, ausführlichen Artikel erst nach 74 Zeilen.

«Das ist zu spät, um noch von hinreichender Quellentransparenz zu sprechen», kommt der Schweizer Presserat in seiner am Freitag publizierten Einschätzung nun zum Schluss. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das Gremium 2001 festgehalten, dass die Quelle eines zitierten Primeurs «schon auf der Frontseite» hätte genannt werden müssen. 

Der «Tages-Anzeiger» verteidigte sich damit, dass das Thema online schon am Tag zuvor aufgenommen worden sei. Dort sei die Quelle «Republik» schon im zweiten Satz genannt worden.

«Das belegt zwar, dass es der Redaktion dort nicht darum ging, Quellen zu verheimlichen. An der Tatsache aber, dass diese im Print erst dermassen spät genannt wurden, ändert das nichts», so der Klartext der journalistischen Sittenwächter.

Tamedia gab auch zu bedenken, dass man die eigentlichen Urheber der ganzen Geschichte schon früh genannt hat, nämlich die «Hacker», die Internet-Sicherheitsleute, welche die Missstände effektiv aufgedeckt hatten. Die «Republik» hat deren Erkenntnisse dann ausgeweitet. 

Von diesen IT-Leuten ist in der besagten Ausgabe des «Tages-Anzeigers» schon auf der Front und bereits im ersten Satz des langen dritten Artikels die Rede. 

Dennoch findet der Presserat, dass die «Republik» und das «Handelsblatt», welche die Geschichte zuerst journalistisch aufbereitet, ergänzt und publiziert hatten, «nicht genügend deutlich genannt» worden seien. «Ihre Nennung als Quellen wäre schon auf der Front erforderlich gewesen.»

Von einem Plagiat will der Presserat aber nichts wissen. Zu unterschiedlich seien die Erzählweisen bei der «Republik» und in den Tamedia-Blättern gewesen. Zwar seien Fakten von der «Republik» übernommen worden; diese wurden aber «nicht identisch beschrieben».