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Freitag
22.01.2021

Medien / Publizistik

«Das hat unheimlich Spass gemacht»: René Scheu stimmt ein Loblied an. (Bild © NZZ)

«Das hat unheimlich Spass gemacht»: René Scheu stimmt ein Loblied an. (Bild © NZZ)

Der Feuilleton-Chef der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) René Scheu wechselt im Sommer zum Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP).  

Gegenüber dem Klein Report schaut er auf seine Zeit bei der «Neuen Zürcher Zeitung» zurück und sagt, weshalb er den Journalismus hinter sich lässt.

Von dem, was Sie als Feuilleton-Chef in den letzten fünf Jahren erreicht haben, worauf sind Sie besonders stolz?
René Scheu: «Sie erlauben mir, ein Loblied anzustimmen. Das tue ich gerne! Meine ersten beiden Sprüche waren: Die Kür ist unsere Pflicht, und die Pflicht ist unsere Kür. Genau das haben wir umgesetzt: Wir vermochten mit einem im deutschen Sprachraum mittlerweile einzigartigen Kür-Debatten-Feuilleton zu überzeugen, ebenso wie mit einer zuverlässigen, hochstehenden Pflicht-Kulturberichterstattung. Und wir sind über die Jahre als Team zusammengewachsen, was sich in unseren Texten zeigt: gerne frech, oft überraschend, auch mal schräg, voller Leben, furchtlos, liberal im besten Sinne und ja, in seltenen Fällen auch sanft ironisch.»

Im Nachhinein ist man immer schlauer: An welcher Stelle trifft die Volksweisheit auch auf Ihre Tätigkeit als Feuilleton-Chef zu? 
Scheu: «Überhaupt nicht. Ich habe mich damals auf einen grossartigen Job gefreut – und ich wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil. Ich bin der NZZ dankbar für die Gelegenheit, als Chef-Feuilletonist zu wirken. Das hat unheimlich Spass gemacht – und macht es noch bis Ende Juni 2021. Jetzt braucht’s einen geeigneten Schlussspurt.»

Die Feuilleton-Leitung bei der NZZ ist ein begehrter Posten im Schweizer Kulturjournalismus. Weshalb geben Sie ab? 
Scheu: «Stimmt. Feuilletonchef der NZZ ist wohl – mit meinem Hintergrund und Profil – der ideale Job im Journalismus für mich. Aber ich bin bald 47, und vor 50 wollte ich unbedingt mal noch was Neues wagen, sprich: von A bis Z aufbauen und gestalten, ausserhalb des Journalismus.»

Was wird Ihre Aufgabe als Geschäftsleiter am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) genau sein? 
Scheu: «Ich werde das Institut zusammen mit Christoph Schaltegger leiten, Professor für Politische Ökonomie an der Universität. Zum Institut selbst kann ich noch nichts sagen, denn das müssen wir erst noch aufbauen. Frühestens Ende April werden wir an einer ordentlichen Pressekonferenz über Werte, Zielsetzung, personelle Besetzung und Organisation des IWP informieren.»

Sie sind seit 20 Jahren im Journalismus zuhause. Vor Ihrer Zeit als NZZ-Feuilleton-Chef waren Sie unter anderem Herausgeber und Chefredaktor des Magazins «Schweizer Monat». Über die zeitgenössische italienische Philosophie von Helmut Holzhey und Gianni Vattimo haben sie promoviert und Bücher aus den Bereichen Philosophie, Anthropologie und Psychoanalyse übersetzt und herausgegeben. Was reizt einen humanistisch interessierten Journalisten wie Sie an Ihrer neuen Aufgabe als Geschäftsführer eines wirtschaftspolitischen Instituts?
René Scheu: «Philosophen sind nun mal unendlich neugierige Tiere. Wie Sie vielleicht wissen, interessieren mich politische Ökonomie und unternehmerisches Handeln schon länger. Aber ganz abgesehen davon wollte ich meinen Horizont nochmals fundamental erweitern. Das IWP bietet mir eine grossartige Gelegenheit hierfür.»

Wird man von Ihnen weiterhin Journalistisches zu lesen bekommen?
Scheu: «Schreiben und denken gehen Hand in Hand, ebenso wie denken und atmen. Das ist sozusagen ein Dreiklang. Insofern müssen Sie wohl davon ausgehen, dass ich weiterhin auch schreibend tätig bin.»

Was wünschen Sie dem NZZ-Feuilleton und Ihrem Nachfolger für die nächsten fünf Jahre?
Scheu: «Der Nachfolger – ich verwende hier das generische Maskulinum, das auch Frauen einschliesst – übernimmt im Frühsommer 2021 ein tolles Team mit herausragenden Schreibern, originellen Köpfen und filigranen Denkerinnen. Er wird dieselbe Aufgabe haben wie ich: das Feuilleton zusammen mit dem Team weiterentwickeln, neu denken, anders denken. Dafür braucht es viel Kraft, eine Menge Durchhaltevermögen und einen hohen Spassfaktor. Im Tempo liegt die Kraft. Und Stillstand bedeutet Tod, auch im Feuilleton.»