Am Wochenende ist es im französischen Belfort, nahe der Schweizer Grenze, zu unschönen Szenen gekommen: Gegnerinnen und Gegner des französischen Corona-Zertifikats haben die Redaktion der Lokalzeitung «L’Est Républicain» angegriffen.
Einige der 400 bis 500 Teilnehmenden haben versucht, die Tür zur Redaktion einzudrücken. Die Demonstranten hätten zudem der Zeitung vorgeworfen, Falschinformationen und Lügen zu verbreiten, wie «L’Est Républicain» selbst berichtete.
Im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» hat nun Redaktionsleiter Philippe Piot die Geschichte im Detail erzählt. Der 54-jährige Journalist ist an seinem Schreibtisch gesessen, als die Demonstranten versucht haben, in die Redaktion einzudringen.
«Im Treppenhaus haben sie Eier geworfen, Zeitungsseiten zerrissen und die Wände mit Flugblättern beklebt», so Piot. Zudem hätten die Demonstranten ein Megafon dabei gehabt und im Treppenhaus Beleidigungen gebrüllt. Die Türe zur Redaktion hätten sie versucht einzudrücken, sie sei aber abgeschlossen gewesen und hätte standgehalten.
«Danach haben wir gesehen, dass sie von aussen an die Tür ‘Collabo’ geschrieben haben», so der Journalist weiter. Dies sei eine Beschimpfung für Menschen, die im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaboriert haben.
Bereits Ende Juli hat Piot an einer Corona-Demo diese Beleidigung hinnehmen müssen. Dies, als er versucht hat, mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen. «Hunderte Leute haben dann angefangen, ‘Collabo’ zu skandieren, und haben mich bedrängt. Ich habe es zurück in die Redaktion geschafft, aber es gibt Videoaufnahmen, die zeigen, dass einige mich zusammenschlagen wollten», wie er weiter im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sagt.
Seine tägliche Arbeit habe sich deswegen aber nicht verändert. Man arbeite immer noch weiter mit Fakten, so Piot. Nach dem Vorfall hätten zudem viele private Leute ihre Unterstützung zugesichert. «Aber keiner der lokalen Politiker hier hat sich offiziell geäussert», kritisiert er.
In Belfort gibt es zurzeit jedes Wochenende Demonstrationen gegen die französische Corona-Politik. Philippe Piot sieht an den Veranstaltungen aber immer weniger bekannte Gesichter: «Das heisst, dass die Leute von weiter her anreisen. Die Demonstranten werden weniger und radikaler», schliesst er.