Die UCI-Rad- und Paracycling-Strassen-WM in Zürich vom September 2024 ist für viele ein Politikum. Anwohner entlang der Strecke fürchteten um ihre Bewegungsfreiheit, Gewerbler um ihre wirtschaftliche Existenz und die Spitäler um ihre Erreichbarkeit.
Was folgte, war ein Schwall an Einsprachen. Es war Fingerspitzengefühl gefragt, auf beiden Seiten.
Nachdem nun auch das Kispi (Kinderspital Zürich) seinen Rekurs zurückgezogen hat, ist der Weg frei für einen sporthistorischen Event mitten in Zürich, so Andreas Herren, Pressesprecher des Lokalen Organisationskomitees (Lok) Zürich.
Der Klein Report hat ihn zur umstrittenen Streckenführung und zu den vielen Einsprachen befragt. Herren seinerseits nutzt die Gelegenheit, um die teils einseitige Berichterstattung und die mangelnde Differenzierung mancher Medien zurecht zu rücken.
Sämtliche Rennen der Strassen-WM im nächsten Jahr enden auf dem Sechseläutenplatz. Dazu kommt es vor allem in Witikon und entlang der Spitäler zu massiven Verkehrseinschränkungen. Weshalb haben die Organisatoren gerade diese neuralgischen Punkte ins Auge gefasst, obwohl dem OK ja von vornherein klar sein musste, dass es vor allem aufgrund der Spitäler zwangsläufig Einsprachen hageln würde?
Andreas Herren: «Der Fokus auf die Innenstadt mit dem Sechseläutenplatz und der anspruchsvolle Rundkurs, unter anderem durch die Zürcher Innenstadt, waren zentrale Elemente der Kandidatur und ein wichtiges Kriterium für den Zuschlag der Rad-WM 2024 an Zürich im Jahr 2019. Das Lokale Organisationskomitee (Lok) Zürich 2024 setzt die Verpflichtungen um, die Stadt und Kanton Zürich mit ihrer Kandidatur eingegangen sind.»
Welche Alternativen gab es streckenmässig?
Herren: «Das Lok Zürich 2024 hat nach der Aufnahme seiner Tätigkeit Anfang 2022 Alternativrouten evaluiert. Diese erwiesen sich auch hinsichtlich der technischen Anforderungen der UCI an die Strecke aufgrund bestehender verkehrsberuhigender Massnahmen, von Bäumen oder von zahlreichen Hindernisse als nicht tauglich. Zudem wären sie für Para-Cycling-Rennen, die teilweise ebenfalls auf den Strecken der Non-Para-Fahrerinnen und Fahrer stattfinden, nicht geeignet gewesen.»
Für das OK waren die vielen Einsprachen sicher eine grosse Herausforderung. Wie haben Sie es geschafft, optimistisch zu bleiben?
Andreas Herren: «Die Verkehrsanordnungen wurden bewusst bereits mehr als eineinhalb Jahre vor der WM publiziert, damit die Bevölkerung, das Gewerbe und die verschiedenen Institutionen frühzeitig informiert sind. Mit Einsprachen haben wir selbstverständlich gerechnet. Wir waren immer davon überzeugt, dass wir gemeinsam mit der Stadt beziehungsweise dem Kanton, den beteiligten Spezialisten der Dienstabteilung Verkehr (Dav) und der Kantonspolizei im Dialog mit möglichen Rekurrierenden, aber auch Nicht-Rekurrierenden Lösungen finden werden. Dieser Dialog und die Bereitschaft aller hinsichtlich einer Lösungsfindung war entscheidend. Genau diesen Beweis haben wir jetzt erbracht.»
Viele Medien stellten sich auf die Seite der besorgten Bürger und Spitäler. Und sprachen immer wieder davon, dass die Rad-WM auf der Kippe steht. Wie haben Sie das erlebt?
Herren: «Die Rad- und Para-Cycling-Strassen-Weltmeisterschaften standen nie auf der Kippe. Vor jeder sportlichen Grossveranstaltung malen die Medien den Teufel an die Wand. Äusserungen von Kritikern oder Rekurrenten wurden, ohne zu hinterfragen, ob zum Beispiel diese Kritiken auch auf Fakten beruhen, aufgenommen. Voraussetzungen für die Durchführung der WM (Stichwort: notwendige Grösse des Zielgeländes, Breite und Länge der Zielgerade et cetera) oder Hinweise, dass zum Beispiel Gespräche zur Lösungsfindung sehr konstruktiv verlaufen, fanden hingegen weniger Echo. Die teils einseitige Berichterstattung ist durch die erzielten Einigungen nun vollumfänglich widerlegt.»
Gerade der Kompromiss mit dem Kispi ist sehr medienwirksam. Wie haben Sie als OK angeboten und was hat das Kispi von Ihnen erwartet?
Andreas Herren: «Das Lok Zürich 2024 ist stolz, zu den vereinbarten Lösungen mit dem Kispi einen massgeblichen Beitrag geleistet zu haben. In den Planungen zur Streckenführung und -sicherung wurde das Kinderspital von Beginn weg speziell im Fokus gehalten. In enger Zusammenarbeit mit der Dav hat das Lok verschiedenste Sitzungen und Begehungen vor Ort beim Kispi durchgeführt und die spezifischen Bedürfnisse bezüglich Zufahrten für Notfälle, für Patientinnen und Patienten zu Therapien, Warenlieferungen und so weiter geklärt. Die Lösung gewährleistet den Betrieb des Kispis und die sichere Durchführung der Rennen. Das war von Beginn an unser erklärtes Ziel, da selbstverständlich auch wir uns der Bedeutung des Kispis wie auch der anderen Spitäler für die Grundversorgung unserer Bevölkerung bewusst waren und sind.»
Der Kompromiss mit dem Kinderspital Zürich war auch aus politischen Gründen sehr wichtig, denn kaum eine Institution in der Stadt geniesst so viel Sympathie wie das Kinderspital. Welche Rekurse sind jetzt noch hängig und wie sehen die Chancen für weitere Einigungen aus?
Herren: «Das Lok Zürich 2024 ist nicht Partei in den Rekursverfahren. Dafür zuständig sind die entsprechenden Departemente der Stadt Zürich.»
Sie haben als OK sehr viel Zeit und Nerven für die Kompromisse gebraucht. In knapp 11 Monaten beginnt die Rad-WM. Was blieb liegen und worauf legen Sie jetzt als OK vor allem den Fokus?
Andreas Herren: «Das Lok hat in den vergangenen Monaten die Vorbereitungen intensiv vorangetrieben. Ab jetzt geht es nur noch um Sport, um die Fahrerinnen und Fahrer und darum, in Zürich und mit Zürich für die ganze Schweiz grossartige, spannende Rad-Weltmeisterschaften mit einem Rad-Volksfest, Fanzonen, verschiedenen Rahmenveranstaltungen wie Konzerten zu organisieren.»
Das Verhältnis zu verschiedenen Medien war laut Ihren Worten nicht ganz einfach. Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)?
Herren: «Es gibt zwei Ebenen: Die TV-Produktion der Non-Para-Rennen der Rad-Weltmeisterschaften, für die SRF als Host Broadcaster aufgrund einer Vereinbarung mit der UCI und der Europäischen Rundfunkunion (EBU) verantwortlich ist. Die Zusammenarbeit ist renntechnischer Natur. Auf redaktioneller Ebene wird SRF wie die anderen Medien behandelt. Wenn Sie die Berichterstattung verfolgt haben, werden Sie feststellen, dass gerade SRF eher kritisch war. Ob SRF auch ein Medienpartner wird, so wie die TX Group mit dem ‚Tages-Anzeiger‘, der ‚SonntagsZeitung‘ und ihren Lokalzeitungen bereits ist, wird sich zeigen.»
Was würden Sie rückblickend ändern, um nicht nochmal in eine solch unkomfortable Situation zu geraten?
Andreas Herren: «Die Rahmenbedingungen waren vorgegeben. Wir wissen, was unsere Aufgabe ist und wie wir sie erfolgreich bewältigen werden. Die Situation war in erster Linie aus Sicht der Medien unkomfortabel, nicht aus unserer Perspektive.»