Ein vages Mail nur einen Tag vor dem Druck gibt den Betroffenen nicht genügend Raum, um auf schwere Vorwürfe zu reagieren. Der Presserat rügt den «Tages-Anzeiger» für eine Reportage über die «Anastastia-Sekte».
«Mehr braun als grün» überschrieb Kurt Pelda die Ergebnisse einer längeren Recherche, die im Tagi vom 13. Dezember 2018 auf der «Seite Drei» erschien. Die ganzseitige Reportage wirft ein Schlaglicht auf die «Anastasia-Sekte», hinter deren «grünökologischem Anstrich» sich «teilweise braunes Gedankengut» verberge.
Unter anderem geht es um den Sorgerechtsstreit eines unverheirateten Paars. Der betroffenen Gabi D. wurde vorgeworfen, ihrem Sohn kurzzeitig medizinische Versorgung verweigert zu haben.
Daneben zählt der Tagi-Autor Indizien auf, die darauf hinwiesen, dass die Frau Mitglied der «Anastasia-Sekte» sei. Unter anderem beschreibt er ein Foto, worauf Gabi D. an einem Tisch steht, auf dem ein mit Hakenkreuzen übersäter Flyer liegt, daneben eine CD, ebenfalls mit Hakenkreuzen «verziert», auf der sie ein Gebet spricht.
Nur einen Tag, bevor die Story in den Druck ging, schrieb der Journalist der Frau ein vage formuliertes Mail. Er schrieb lediglich, dass er mit ihr «über ihre Haltung zur Anastasia-Bewegung» sprechen wolle. Mit den konkreten Vorwürfen konfrontierte er die Betroffene nicht. Gabi D. antwortete nicht auf die Mail.
«Hier hätte Pelda unbedingt auf anderen Wegen nachdoppeln müssen», schreibt der Presserat in der am Freitag publizierten Stellungnahme: Da der Autor die Betroffene sehr spät und lediglich per Mail kontaktierte, ohne die schweren Vorwürfe gegen sie präzis zu benennen, habe er gegen den Berufskodex verstossen.
Gegen die Wahrheitspflicht hat der Artikel dagegen nicht verstossen. In dem Streit mit dem Kindsvater um das Sorgerecht stehe «Aussage gegen Aussage», so das Fazit des Presserats.
Und auch die Art, wie Kurt Pelda eine Nähe von Gabi D. zur «Anastasia-Sekte» beschreibt, ist für das Gremium nicht wahrheitswidrig. So schreibt er explizit: «Was Gabi D. wirklich über die Anastasia-Bewegung denkt und ob das ihren inzwischen dreieinhalbjährigen Sohn beeinflussen könnte, bleibt ihr Geheimnis».