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Donnerstag
18.03.2021

Medien / Publizistik

Die veröffentlichten Informationen von «20 Minuten» haben den mutmasslichen Täter gemäss Fairmedia «sehr leicht identifizierbar» gemacht...

Die veröffentlichten Informationen von «20 Minuten» haben den mutmasslichen Täter gemäss Fairmedia «sehr leicht identifizierbar» gemacht...

Der Verein Fairmedia wird eine Beschwerde beim Presserat gegen «Blick» und «20 Minuten» einreichen. Die Blätter haben in Artikeln über den Mord einer 22-Jährigen in Buchs nach Ansicht des Vereins die Privatsphäre mehrerer Personen verletzt.

Pikant: Der Verein, der sich selbst den Untertitel «Für fairen Journalismus» gegeben hat, «reagiert in diesem Fall aus eigener Überzeugung», heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Zu den Betroffenen habe «kein Kontakt» bestanden.

Ein Tötungsdelikt, das Ende Februar in Buchs passierte, ist medial gross aufgemacht worden. Der «Blick» titelte online: «Mit seiner Freundin war er sehr aggressiv.» Und «20 Minuten» schrieb: «Das hätten wir unserem Sohn nie zugetraut.» Doch in den Artikeln publizierten die Blätter «private Details», die aus Sicht von Fairmedia «keinerlei Öffentlichkeitsrelevanz haben», schrieb der Verein.

Beispielsweise wurden Familienangehörige interviewt und das Wohngebäude der Betroffenen fotografiert. Auf den Bildern sind ausserdem Gegenstände sichtbar, die «offensichtlich den Betroffenen gehörten», so Fairmedia weiter und fügt an: «Das stellt einen krassen Eingriff in die Privatsphäre des Opfers und ihrer Hinterbliebenen dar.»

Auch der Name einer Pizzeria, in der der mutmassliche Täter arbeitete, wurde bei «Blick» und «20 Minuten» «sehr prominent» gezeigt. Die veröffentlichten Informationen und Fotos würden das Opfer und den mutmasslichen Täter «sehr leicht identifizierbar» machen.

Aus diesen Gründen habe sich Fairmedia aus eigenen Stücken entschieden, eine Beschwerde sowohl gegen den «Blick» als auch gegen «20 Minuten» einzureichen. «Die Beschwerdeschriften sind in Zusammenarbeit mit unserem Vertrauensanwalt aufgesetzt und fertig formuliert. Sie werden nächste Woche an den Presserat geschickt», sagte Geschäftsführer Jeremias Schulthess auf Anfrage des Klein Reports am Mittwoch.

Mit der Ankündigung hofft Schulthess auf mediale Aufmerksamkeit: Fairmedia wolle sich nämlich nicht nur an den Presserat, sondern auch an die Öffentlichkeit wenden. Darum können Interessierte die Beschwerde online unterschreiben, erklärte der Geschäftsführer gegenüber dem Klein Report. Bisher seien knapp 200 Unterschriften zusammengekommen.

«Wenn wir die Beschwerden nächste Woche einreichen, werden wir auch die Zahl der Unterschriften prominent kommunizieren», sagte Jeremias Schulthess. «Wir wollen damit die Dringlichkeit unseres Anliegens unterstreichen.» Den Verlagen solle klargemacht werden, dass eine derartige Berichterstattung von den Leserinnen und Lesern nicht toleriert werde.

Eine Kontaktaufnahme oder eine Rücksprache mit den Hinterbliebenen der getöteten jungen Frau habe es nicht gegeben, sagte Schulthess auf Nachfrage des Klein Reports. Die Begründung für diesen doch eher ungewöhnlichen Schritt erklärte Schulthess folgendermassen: «Wir wollten die Angehörigen im Zusammenhang mit diesem traurigen Vorfall nicht weiter belästigen.»

Und damit diejenigen, die bereits unter den Medienberichten litten, durch die Beschwerde von Fairmedia nicht zusätzlich leiden müssten, habe man in der Beschwerde und bei der Verbreitung des Aufrufs «stets sehr streng darauf geachtet, dass wir die Privatsphäre der Betroffenen schützen und die fragwürdigen Berichte nicht weiterverbreiten», so Schulthess.

Der Verein Fairmedia hat seinen Sitz in Basel und wurde im Herbst 2015 gegründet. Er bezweckt gemäss Statuten, «eine Anlaufstelle für die Betroffenen von medialen Überschreitungen durch praktische, allenfalls auch juristische Beratung zu betreiben oder zu unterstützen».

Im Vorstand von Fairmedia sitzen neben Präsident und SP-Nationalrat Beat Jans der Vizepräsident Guy Krneta (Autor), Nadja Pecinska (Redaktorin Schweizerischer Ärzteverlag EMH), Roger Marquardt (Coach und Therapeut), Catherine Thommen (freie Journalistin und Moderatorin), Jon Pult (Nationalrat SP) und Jessica King (freie Journalistin und Campaignerin beim Frauenverband Alliance F).