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Donnerstag
16.03.2017

TV / Radio

Brisanter Brief von RSI-Mitarbeitern

Brisanter Brief von RSI-Mitarbeitern

Dicke Post fanden die Redaktoren von teleticino.ch inmitten der Querelen um den Personalabbau bei Rediotelevisione Svizzera (RSI) im Februar 2016 in ihrer Mailbox: Ein anonymer Brief, «offenbar» aus der Feder von RSI-Agestellten, forderte den Rücktritt des Managements rund um Direktor Maurizio Canetta.

Das Onlineportal entschied sich, das pikante Schreiben in vollem Wortlaut zu veröffentlichen, und rief damit den Protest der Associazione Ticinese die Giornalisti (ATG) auf den Plan. Die Tessiner Sektion des Journalistenverbands Impressum beschwerte sich beim Schweizer Presserat: Indem die Redaktion ein Dokument mit unbekannter Quelle publizierte, habe sie Ziffer 3 des journalistischen Verhaltenskodex verletzt.

Die Frage, ob die Redaktion von ticinonews.ch die Autoren des anonymen Briefes gekannt habe, konnte der Presserat nicht abschliessend beantworten, wie er am Mittwoch mitteilt. Mit der «lapidaren Stellungnahme», man habe die Quelle wie üblich auch in diesem Fall sorgfältig überprüft, gab sich das Aufsichtsgremium aber nicht zufrieden, und hiess die Beschwerde gut.

«Entschliesst sich eine Redaktion nach sorgfältiger Prüfung der Quelle zur Publikation eines anonymen Briefes», hält der Presserat in seiner Begründung fest, «soll sie im Artikel angeben, dass ihr die Namen der Verfasser bekannt sind.» Das alleine genüge jedoch noch nicht, um die Leser in den Stand zu setzen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Die Redaktion muss zusätzlich auch die «relevanten Merkmale» der anonymen Autoren angeben, und zwar «bis zur Grenze der Identifizierbarkeit»: Nur so können sich die Leser ein Bild der möglichen Motive der Autoren machen. Wenn die Leserschaft dagegen «nicht erfährt, wer und wie viele Verfasser hinter einem anonymen Brief stehen, kann sie weder seine Echtheit noch seine Bedeutung beurteilen.» 

Zudem sind aus Sicht des Rats die Gründe, weshalb auf eine Namensnennung verzichtet worden ist, offenzulegen. Im strittigen Fall lagen sie auf der Hand: RSI-Mitarbeitende, die sich in der Öffentlichkeit gegen die eigene Direktion wenden, hätten womöglich Sanktionen riskiert.