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Donnerstag
13.10.2016

Medien / Publizistik

«Aussagen mit Vorsicht zu geniessen»

«Aussagen mit Vorsicht zu geniessen»

«Kellogg’s und Exekutionen zum Frühstück» titelte am 23. Juni «20 Minuten». Darin wurde das Alltagsleben des Ex-Thaibox-Weltmeisters Valdet Gashi «unter der Scharia» im Islamischen Staat in Syrien geschildert. Die Tamedia-Zeitung habe genügend kritische Distanz zur Erzählungsoptik des IS-Kämpfers gewahrt, befand der Presserat und wies eine entsprechende Beschwerde ab.

Der Artikel wies darauf hin, dass die Aussagen aus den Mails mit dem Mitglied des IS mit Vorsicht zu geniessen seien, weil womöglich mit Propaganda durchsetzt. Der zweite Teil des Artikels widmete sich ganz Gashis Erzählung über seinen Grenzübertritt, seinen Lebensstandard, seine Arbeit und die Hinrichtungen. 

Zum Kämpfen, so Gashi, werde man nicht gezwungen und der Lebensstandard sei besser, als er es erwartet hatte. Die Arbeit sei nicht anstrengend, er sehe das alles als Freizeit. Wohnung und Essen bekomme er gratis und selbst «Milchschnitten und Kellogg’s» gebe es. Hinrichtungen würden nur in Folge eines rechtsgültigen Urteils durchgeführt. Das Leben im Kalifat mache ihn glücklich und er sei froh, nicht mehr in Europa zu sein - so das Narrativ des IS-Kämpfers in dem «20 Minuten»-Artikel.

Gegen den Artikel wurde beim Schweizer Presserat Beschwerde eingelegt. Moniert wurde eine Verletzung des Wahrheitsgebots. Der zweite Teil des Artikels, der Unwahrheiten und Propaganda des IS verbreite, sei umfangreicher als der erste, relativierende Teil. «20 Minuten» habe Propaganda des IS als Fakten wiedergegeben. 

Der Beschwerdeführer vermisste zudem, dass der Autor nicht klarmachte, ob er die Erzählung von Gashi glaubwürdig hielt oder nicht. Neben weiteren Beschwerdepunkten sah er das «Ansehen des Berufes», das im Verhaltenskodex der Journalisten in Ziffer 2 geschützt wird, durch den Artikel in Mitleidenschaft gezogen.

Der Presserat nahm den ersten Teil des Artikels nochmals unter die Lupe und kam zum Schluss, dass die Relativierungen und Einordnungen der Aussagen des Spitzensportlers «deutlich ausreichend» seien, «um dem Leser klarzumachen, dass seine Aussagen subjektive und überdies wahrscheinlich verfälschte Berichte zu Propagandazwecken des IS» seien.

So heisst es am Ende des ersten Abschnitts zum Beispiel: «Und aufgrund seiner Schilderungen könnte der Eindruck entstehen, der Profisportler befinde sich im harmlosen Abenteuer-Urlaub statt im Heiligen Krieg. Die Parole lautet: Alles bestens.» 

Darauf folgt zudem der Zwischentitel: «Aussagen mit Vorsicht zu geniessen» und es wird erklärt, dass der Mailverkehr mit Valdet Gashi vom Genfer Zentrum für Terrorismus-Analyse analysiert und beurteilt wurde. Dazu kommen zwei Extremismus-Experten zu Wort, wovon einer selbst Kontakt mit Gashi hatte. Beide äussern starke Zweifel bezüglich der Aussagen Gashis.

Auch die übrigen Beschwerdepunkte wies der Presserat ab.