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Donnerstag
12.11.2015

Medien / Publizistik

Hat die Vierte Macht im Staat abgedankt? Diktieren nun anonyme und unterbelichtete Blitzkommentatoren in Online-Foren den Medien die Themen? Kommt in den Redaktionsetats erst das Fressen und dann die Moral, wie Brecht meinte. Dies waren, boulevardesk gesagt, explosive Ausgangsfragen für den Medienclub von Dienstagabend. Leider blieb die Runde sehr artig, kommentiert Redaktorin Barbara Bischof für den Klein Report.

Während Pedro Lenz es ganz erstaunlich fand, wie viele Leute sich für relevant halten, und zu bedenken gab, dass die Anzahl Klicks für einen Artikel sich oft bloss auf den Titel (oder gar nur aufs Foto des Autors!) beziehen, nahm Hansi Voigt für das Newsportal «Watson» in Anspruch, «eine hohe Debattierkultur» zu pflegen, und «Blick am Abend»-Chef Peter Röthlisberger ortete in den Blick-Online-Foren euphemistisch eine «Demokratisierung der Meinungsbildung».

Unterschiedlich präzis waren die Angaben zur Bewirtschaftung der Online-Kommentare: Bei «Tages-Anzeiger» und «NZZ» werden laut Moderator Franz Fischlin 20 Prozent davon aussortiert. Bei «Watson» 10 bis 20, im übrigen hält Voigt sein Redaktionsteam «zur Erziehung der Leserschaft durch Dialog» an. Beim «Blick» sortiert der Zensurroboter nach Keywords etwa einen Drittel der digitalen Zuschriften aus, und vom Rest streichen die Community-Manager selber nochmals die Hälfte.

Unmittelbarkeit: Das war das Zauberwort zur Zähmung der sexistischen und rassistischen Auswüchse. «Die Leute müssen spüren, dass ein Mensch da ist, sonst brechen alle Dämme», meinte Röthlisberger. Alle plädierten für schnelles Eingreifen in die «Meinungspornographie». «Watson» akzeptiert nur noch registrierte User, deren Koordinaten hinterlegt sind, und Hansi Voigt bezeichnete «Blick»- und «20Minunten»-Online wieder einmal als Katastrophe.

Und die Inhalte? 11 Millionen Klicks garnierte bei «Blick» das 15-Sekunden-Video vom kleinen Eisbär, was Röthlisberger sehr freute, und Voigt räumte zum Thema Clicks und Likes ein: «Die Journis sehen sofort, ob ihre Geschichte gelesen wird - wenn nicht, so verändert das die Schreibweise.» Voigt weiter: «Unser Geschäft ist, Aufmerksamkeit zu generieren», schwurbelte er.

Was Geri, Marcos und die Zuger k.o-Tropfen betrifft, streuten sich gegen Sendungsende noch alle ein wenig Asche aufs Haupt. Doch wie stehts nun um die Vierte Macht? Monica Fahmy plädierte in der Bye-Bye-Runde einmal mehr für gute Recherchen, Lenz unverdrossen für gute Ausbildung und Entlöhnung der tapfer Recherchierenden. Röthlisberger lächelte wie eine Sphynx: «Die wichtige Rolle der Medien bleibt» und Voigt verkündete strahlend: «Die Leute suchen Einordnungen. Wir sind ein Wahrheitslieferant und keine Verblödungsmaschine.»