Mit dem Wechsel des ehemaligen Redaktionsleiters Raphael Rauch zum «SonntagsBlick» hofften viele Bischöfe, dass bei ihrem News-Portal kath.ch Ruhe einkehrt.
Rauch war mit investigativen Geschichten vielen Würdenträgern auf die Füsse getreten. Doch die Bischöfe täuschten sich: Als letzte Amtshandlung stellte Rauch die Historikerin Annalena Müller ein – die ebenfalls für einen unabhängigen, kritischen Journalismus steht.
Innerhalb von mehreren Monaten wurde Müller die wichtigste Stimme von kath.ch. Nach der Kündigung von Direktor Charles Martig bewarb sie sich für dessen Nachfolge – und landete in der Poleposition. Ein externes Assessment gab Annalena Müller Bestnoten.
Der Theologe und Journalist Martig wechselte zur römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern, wo er seit April diesen Jahres ein neues «Kompetenzzentrum Kommunikation» aufbaut, wie der Klein Report berichtete.
Nach dem Abgang von Raphael Rauch übernahm Martig im März 2023 zudem die Chefredaktion. Unter Charles Martigs Ägide wurde kath.ch mit dem Redaktionsleiter Rauch neu positioniert und eine gezielte Social-Media-Strategie aufgebaut. Im Mai 2023 folgte die Lancierung des neuen katholischen Podcasts «Laut + Leis» mit Sandra Leis als Host.
Gemeinsam mit dem Vorstand war Adrian Müller, Präsident des Vereins Katholisches Medienzentrum, beauftragt, die Nachfolge in die Wege zuleiten.
Doch dann kam das Veto der Bischöfe für die Nomination von Annalena Müller. Diese dulden an der Spitze ihres News-Portals keinen lauten, krawalligen Journalismus mehr, sondern bevorzugen katholischen Biedermeier. Statt Müller hievten sie den Journalisten Christian Maurer an die Spitze. Als Reformierter hat der keine besondere Expertise in Sachen katholische Kirche – doch das war den Bischöfen lieber als eine profilitierte Katholikin.
«Die Mitglieder der Findungskommission für die zu besetzende Stelle Direktion /Chefredaktion hätten sich alle für Annalena Müller und einen ehemaligen News-Chef von ‚Blick‘ in Co-Leitung ausgesprochen mit Ausnahme des Medienbischofs», heisst es in einem internen Schreiben, das dem Klein Report vorliegt.
Der Medienbischof blockiere das Verfahren und deshalb gebe es keine neue Leitung im Katholischen Medienzentrum. Das Schreiben ist von Sibylle Hardegger, Jacqueline Straub und Norman Zöllner unterschrieben.
Diese Gruppe befragte dann Adrian Müller, den Präsidenten des Vereins Katholisches Medienzentrum, ob Annalena Müller vom Vorstand beauftragt worden sei, Angaben aus der Findungskommission über die Stellenbesetzung Direktion/Chefredaktion dem Team des Katholischen Medienzentrums mitzuteilen.
Aus diesen und vielen weiteren Passagen zeigt sich für den Klein Report eine total uneinige und verfahrene Ausgangslage zwischen den Beteiligten.
Der Klein Report fragte beim Vereins-Präsidenten Adrian Müller nach, der seit 2021 im Vorstand ist, weshalb er aufhöre: «Ich habe nun eine dreijährige Amtszeit hinter mir und ich habe mich zur Wiederwahl gemeldet», erklärte er ausweichend. «Grundsätzlich habe ich Lust, kath.ch gut in die Zukunft zu bringen.»
Das katholische Medienzentrum habe eine wichtige Aufgabe und sei seines Erachtens auf einem guten Weg. «Wir konnten in den letzten Jahren die App ‚Kath+‘ und den Podcast ‚Laut+Leis‘ einführen», zählt er gegenüber dem Klein Report auf.
Auf die Medien warte in den kommenden Jahren eine herausfordernde und spannende Zeit, so Müller. Diese könne er als Chefredaktor von «ITE», Kapuzinermedien, mitgestalten und «hoffentlich auch als Präsident des Vereins Katholisches Medienzentrum», fügte er an und endet mit «pace e bene».
Gemäss Recherchen des Klein Reports hat der neue Redaktionsleiter Christian Maurer eine Danksagung von Vorstandsmitglied Simon Spengler an Annlena Müller verhindert. Auf die entsprechende Anfrage erklärt Maurer: «Frau Müller ist bis Ende Juni bei kath.ch unter Vertrag und erst zu diesem Zeitpunkt könnte eine Verabschiedung zur Diskussion stehen. Es war bisher nicht üblich, Redaktionsmitglieder persönlich zu verabschieden.»
Das habe kath.ch auch bei Kaderleuten, seinem Vorgänger Charles Martig, und dem eben erst pensionierten Technischen Leiter Erich Schweizer so gehalten.
Spengler, langjähriges Vorstandsmitglied, publizierte dann seine Laudatio auf Annalena Müller auf dem Portal Maria2.0 mit dem Titel «List der Geschichte»: «Das Medienzentrum verliert seine profilierteste und engagierteste Stimme. Was bleibt, ist ein Trümmerfeld. Eine verunsicherte Redaktion, Rücktritte aus dem Vorstand, ein tiefgreifender Imageschaden, zerstörtes Vertrauen und vor allem das bittere Erwachen aus dem süssen Traum eines kritisch-loyalen, aber unabhängigen Kirchenjournalismus in der Schweiz. Wo Machtgebaren und Duckmäusertum sich paaren, hat die Freiheit jedes Christenmenschen so wenig Chancen wie die freie Medienarbeit.»
Pikant: Das Loblieb auf Annalena Müller war am Donnerstagabend wenige Stunden auf kath.ch nachzulesen, bis Christian Maurer intervenierte und den Artikel vom Netz nahm. Darauf vom Klein Report angesprochen, meinte dieser: «Der Text war online nicht verfügbar, weshalb wir den Link wieder entfernten. Er ergab keinen Mehrwert für unsere Leserschaft. Im Gegenteil, ein Link, der nicht zu einem Text führt, ist nur ärgerlich und vergrätzt unsere Medienspiegel-Abonnenten.»
Diese Aussage Maurers ist erwiesenerweise nicht korrekt. Kritiker sprechen von Damnatio memoriae gegenüber Annalena Müller. Denn auch ein Artikel über eine Motion im Kantonsparlament Zug gibt diese nur unvollständig wieder. So erwähnt kath.ch die Missbrauchskrise und die Vertuschung von Bischof Felix Gmür als Grund für die Kritik an der katholischen Kirche – verschweigt aber, dass das Veto der Bischöfe gegen Annalena Müller ebenfalls für rote Köpfe sorgte.
In der Motion geht es unter anderem darum, dass der Kanton Zug das Konkordat mit dem Bistum überdenken soll. Auf Nachfrage des Klein Reports antwortete Christian Maurer: «Bei der Motion geht es um das Konkordat mit dem Bistum Basel. Wir haben uns darauf beschränkt, die Begründungen zu referieren, die einen direkten Bezug zum Anliegen der Motion haben, nämlich die Streichung von Geldern vom Kanton an das Bistum.»
Der Politiker habe beim Telefonat mit keinem Wort die Nicht-Ernennung von Annalena Müller genannt, so Maurer weiter. «Als Grund für die Einreichung seiner Motion nannte er im Gespräch lediglich die Kosten des Konkordates für den Kanton Zug – und die immer kleiner werdende Anzahl von Katholikinnen und Katholiken.»
Wie der Kurs von kath.ch weitergeht, ist unklar. Teile des Vorstands treten zurück. Unter den Kandidierenden für den neuen Vorstand gibt es keine profilierten Journalistinnen und Journalisten, sondern ausschliesslich kirchliche Stakeholder.
Annalena Müller leitet künftig das «Pfarrblatt» in Bern und schreibt als Autorin für die «Neue Zürcher Zeitung».