Die beiden ehemaligen NZZ-Mitarbeiter, der Journalist Oswald Iten und der Ex-Finanzchef Jean-Philippe Rickenbach, haben aufgedeckt, wie die NZZ-Gruppe rechtswidrig Gelder aus einer Wohlfahrtsstiftung genommen und in die Pensionskasse transferiert hat.
Auch bislang unbeleuchtete Immobiliendeals zwischen Stiftung und Medienkonzern, bei denen zum Teil die gleichen NZZ-Manager auf beiden Seiten des Verhandlungstischs sassen, sind den beiden Ex-Mitarbeitern im Ruhestand ins Auge gestochen. Im Interview mit dem Klein Report rollt Oswald Iten den strapaziösen Prozess der letzten Jahre nochmals auf.
Wann und wie ist Ihnen aufgefallen, dass es Unregelmässigkeiten in der Bilanz der NZZ-Wohlfahrtsstiftung gibt?
Oswald Iten: «2015 konnten die Destinatäre anlässlich einer Teilliquidation (wegen der Schliessung der Druckerei in Schlieren) Einblick in die Bücher des Spezialfonds verlangen, nachdem zuvor nur Mutmassungen über dessen Vermögen zirkulierten. Der ehemalige Finanzchef Jean-Philippe Rickenbach und ich entschlossen uns, eine Beschwerde bei der BVG- und Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich (BVS) einzureichen, nachdem wir die Expertise des genialen Rechtsanwalts René Schuhmacher (Herausgeber unter anderem des 'K-Tipps' und der Juristenzeitschrift 'Plädoyer') gewinnen konnten.»
In der Folge haben Sie sich entschieden, einen langen und kostspieligen Gerichtsstreit mit dem NZZ-Management auszutragen: Weshalb haben Sie diese Strapazen überhaupt auf sich genommen?
Iten: «Einerseits empfand ich es als sportlich-intellektuelle Übung, im Verbund mit Rickenbach und Schuhmacher diesen Knäuel entwirren zu helfen, obwohl wir uns über die Erfolgsaussichten keine Illusionen machten. Andererseits habe ich in den guten Zeiten selber von den Wohltaten des Spezialfonds profitieren dürfen.»
Haben Sie erwartet, dass Sie in der Hauptsache - es ging um die Unrechtmässigkeit eines Teils der Zahlung in Höhe von 27,4 Millionen zugunsten der NZZ-Pensionskasse - durchkommen würden?
Iten: «Eigentlich machten wir uns über die Erfolgsaussichten einer solchen Beschwerde keine zu grossen Hoffnungen. Denn generell in derartigen Fällen könnte ein Erfolg insinuieren, dass die Aufsichtsbehörde, welche nun ja als erste Instanz über die Beschwerde entscheiden muss, zuvor nicht genau genug hingeschaut hat. Zuerst lief denn auch im ersten Jahr einmal seitens der BVS nichts. Dann aber übernahm eine ausgezeichnete Juristin in der BVS das Dossier und formulierte einen stringenten Entscheid.»
In zwei Punkten hat die Stiftungsaufsicht ihre Klage abgewiesen. Unter anderem ging es um die 2015 erfolgte Streichung der sogenannten «Weihnachtsgratifikation», die Sie als NZZ-Rentner erhalten hatten. Wie gross ist dieser Wermutstropfen für Sie?
Iten: «Die Aufsichtsbehörde räumt einem patronalen Wohlfahrtsfonds, in den die Destinatäre selber nichts einbezahlt haben, einen enormen Ermessensspielraum ein, zum Beispiel in diesem Punkt. Eine andere Frage ist nun, ob der Spezialfonds aus den zurückzufordernden Geldern rückwirkende Zahlungen ausrichtet und wie die Stiftung in Zukunft zu einer normalen Behandlung der Rentner zurückkehrt. Denn die Geschäftsabschlüsse der letzten vier Jahre müssten nun eigentlich rückwirkend betrachtet nach oben korrigiert werden.»
Sogar alle Stiftungsratsentscheide der letzten zehn Jahre müssen nun nochmals angeschaut werden, darunter auch mehrere Immobiliengeschäfte, welche die NZZ-Gruppe mit ihrer eigenen Stiftung betrieben hat. Weshalb sind diese Deals aus Ihrer Sicht «fragwürdig», wie Sie es ausgeführt haben?
Iten: «Weil auf beiden Seiten, also auf Verkäufer- wie Käuferseite, praktisch die gleichen Vertreter sassen. Wer da den Preis bestimmt, ist ja wohl klar, obwohl sicher irgendein Gutachten eingeholt wurde. Ausserdem ist es merkwürdig, dass eine Firma wie die NZZ, die mit schwierigen Umständen kämpft, sich ein Immobilienportfolio zulegt.»
Wie gross ist Ihre Hoffnung, dass der künftige Stiftungsrat, der korrekterweise aus Managern und Verwaltungsräten der «Neue Zürcher Zeitung AG» (NZZ AG) bestehen müsste, diese Transaktionen wirklich kritisch beleuchten wird?
Iten: «Auch der neu zusammengesetzte Stiftungsrat könnte dazu neigen, die Sache durch die Brille der NZZ-Pensionskasse zu sehen, und nicht durch jene des Spezialfonds, der ja eigentlich durch den Entscheid der BVS zu den Gewinnern zählt, weil ihm Mittel zurückfliessen. Eine solche Sichtweise würde einen eigentlichen Paradigmenwechsel erfordern.»
Wie genau meinen Sie das?
Iten: «Die Krux ist ja, dass der Spezialfonds weitgehend durch dieselben Personen wie die Pensionskasse gesteuert wird. So waren die teils unhaltbaren Rechtsschriften des Spezialfonds vom Pensionskassen-Berater Libera verfasst. Eigentlich würde es dem Spezialfonds gut anstehen, im Stiftungsrat auch mit aktiven und passiven Destinatären vertreten zu sein.»
Ein kurzes Gesamtfazit: Hat sich der Prozess gegen das NZZ-Management für Sie und Herrn Rickenbach gelohnt?
Oswald Iten: «Auch wenn wir nicht in allen Punkten gewonnen haben, hat es sich gelohnt. Denn selbst in den unterlegenen Punkten gibt die Argumentation der BVS uns indirekt recht. So zum Beispiel in der Ausführung, dass über lange Zeit ausbezahlte freiwillige Renten durchaus auch zukünftige Auszahlungen erwarten lassen. Auch eine patronale Wohlfahrtsstiftung könne nicht nur einseitig die aktiven Versicherten bevorzugen, sondern müsse auch die Rentner in Betracht ziehen. Wir rechnen also von der präventiven Wirkung auf zukünftige Entscheide. Ebenso ist zu hoffen, dass die Stiftungsaufsicht zukünftig ein besonderes Augenmerk auf die Befolgung ihrer eigenen Argumentation richten wird.»