Bundeskanzler Sebastian Kurz wird noch keinen Staatssender bekommen. Ein dickes Busserl nach rechts ist trotzdem nicht zu übersehen in der Wahl des neuen ORF-Generaldirektors am Dienstagnachmittag, 10. August.
«Es ist das Ende einer Ära, das heute eingeläutet wurde», ist man sich in den Wiener Medien einig. Nach 15 Jahren ist Alexander Wrabetz (61) abgewählt worden. Neu hat der 35-köpfige Stiftungsrat Roland Weissmann (53) zum obersten Chef von Film, Funk und Netz gewählt.
Wrabetz hatte bei der deutlichen türkis-grünen Mehrheit (ÖVP, Grüne) mit nur sechs Stimmen keine Chance gegen die 24 Votanten, die sich im Stiftungsrat gegen seine Wiederwahl stellten. Bei der FPÖ wettert man von einem «türkisen Putsch». Scharfe Kritik an der ORF-Wahl üben aber auch linke Kreise. «Es widerspricht dem gesellschaftlichen Stellenwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diametral, wenn dieser als Spielball für Machtpolitik und Postenschacher missbraucht wird». Die Grünen dürften sich für die Wahl von Weissmann zwei von vier ORF-Direktoren – Programm und Finanzen – auf ihre Fahnen heften.
Die Amtszeit des bürgerlichen Roland Weissmann und seines Teams, das erst im September vom Stiftungsrat bestellt wird, startet am 1. Januar 2022.
Der neue starke Mann beim ORF stammt aus Linz, stieg aber seit 1995 vor allem über die Landesstudios von ORF Niederösterreich auf. Er war dort stellvertretender Chefredaktor, Wortchef im Radio und dazwischen als Fernsehchef für die Bundesländersendung «NÖ heute» verantwortlich.
Weissmann gilt eher als Manager, weniger als Journalist. Derzeit ist er Vizefinanzdirektor des ORF, Geschäftsführer der ORF-Tochter ORF Online & Teletext GmbH (orf.at) und zuständig für das Streaming-Zukunftsprojekt des öffentlich-rechtlichen Senders, den ORF-Player.
Zur Auswahl standen neben dem ÖVP-Wunschkandidaten Weissmann und Amtsinhaber Wrabetz auch ORF-1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, ORF-Technik-Vizedirektor Thomas Prantner sowie als einziger Externer Harald Thoma, Geschäftsführer der Pocketfilm Media Entertainment GmbH.
Eine breite Mehrheit im Stiftungsrat stehe hinter einem digitalen Reformkurs für den ORF – die Bestellung von Weissmann sei ein klares Signal für die ambitionierte Weiterentwicklung des grössten österreichischen Medienunternehmens, lässt man beim ORF verlauten.