Heiss und etwas stickig ist es am Boulevard de la Croisette in Cannes, wo ein Veranstalter nach dem anderen wie an einer Perlenkette aufgereiht ist. Nahe beim Festival empfängt die Mediaagentur OMD mit Hauptsitz New York ihre Gäste. Hektik und Trubel sind vergessen - man ist in einer Oase, der OMD Oasis.
Mainardo de Nardis, CEO von OMD, empfängt die ganze Woche Top-CEOs aus der Medien- und Werbewelt und interviewt je nach Session die Gesprächspartner gleich selber. Einmal mehr war einer der Talks herausragend: Marc Thompson, CEO der «New York Times», Joseph A. Ripp von der Times Inc. («Time-Magazine») und ein Investmentbanker sprachen unter dem Stichwort «Agility & Partnerships for Success» Klartext.
Die beiden Medienmanager diskutierten über die von der Technologie getriebene Medienwelt: Thompson, der von 2004 bis 2012 Generaldirektor der BBC war, macht sich Sorgen um die zu langsame Umsetzung von Prozessen in seinem Verlagshaus, «wir bewegen uns zu langsam», monierte er mehrmals, war aber grundsätzlich optimistisch, was die Transformation ins Digitale betraf. Ideen müssten von oben nach unten durchgebracht werden, sonst nütze alles nichts.
Als Beispiel für die erfolgreiche Transformation der «New York Times» in das Digitale Zeitalter nannte Marc Thompson die Virtual-Reality-Produktion «The Displaced», mit der das Verlagshaus am gleichen Tag den Mobile Grand Prix gewinnen konnte.
Auch Joseph A. Ripp, der nach 14 Jahren wieder zurück im Business ist, versprühte eher Optimismus als Sorge vor der Digitalisierung. Ripp verwies auf die Hunderten von Journalisten bei der Times Inc., die hochstehenden Journalismus produzieren, der auf verschiedenen Kanälen angeboten wird. Times Inc. macht gemäss Ripp auch interessante Vermarktungspakete mit Kunden und deren Mediaagenturen, die auch wieder Flüssiges brächten. «Wir verdienen gutes Geld mit Print», so der ältere Manager, der eher Sorgen mit dem «integrated teamworking» in seiner Firma habe.
Gleich im Anschluss kam Google zum Thema «Creating & Supporting Global Brands in the Digital Age» zu Wort. Der erst etwa zwei Jahre für den US-Internetkonzern arbeitende Kirk Perry, der die 50 grössten Kunden von Google betreut und vorher jahrlang für Procter & Gamble (PG) arbeitete, gab leicht monoton in sich wiederholendem Marketingslang seine Gedanken kund, was für unglaubliche Chancen und Möglichkeiten auf die Welt noch zukämen und sparte dabei nicht mit Eigenlob.
Dass er nun in einer anderen Liga spielt, merkte man an Perrys Ausführungen zu Wachstumsfragen: Bei Google gerieten die Manager mit unter 20 Prozent Wachstum im Jahr schnell in einen Argumentationsnotstand, während bei PG ein Plus um die 2 bis 3 Prozent zwar keinen Jubel auslöste, aber die Manager bleiben im Rennen.
Und Google hilft, wo der Konzern nur kann. Kirk Perry sieht nur «opportunities» für Kunden, die direkt mit Google zusammenarbeiten. Auf die Frage eines Gastes, ob denn nicht viele mittlere und kleinere Mediaagenturen untergingen, redete er zwar viel, gab aber trotzdem keine konkrete Antwort.
Gemäss Perry dreht sich bei Google gegenwärtig alles um Machine Learning: Artificial Intelligence sei die Grundlage der weiteren Entwicklung lernfähiger Algorithmen bei Suchanfragen, aber auch bei der Lancierung von autonomen Fahrzeugen. Analog zur «New York Times» hat Google am gleichen Tag den Creative Data Award für den Computer «AlphaGo» gewonnen, der das Brettspiel Go meisterhaft beherrscht.
Martin Radelfinger («Dr. Internet») kommentiert für den Klein Report: «Als für die Werbeindustrie sicher relevante Bemerkung hat Perry den verstärkten Einsatz von Google Search Trends zwecks der frühen Trenderkennung für das Marketing und den Einsatz dynamischer Werbeoptimierungstechnologie - `Dynamic Creative Optimization`- angekündigt.» Die Verbindung von Technologie, Daten und Kreativität ist gemäss Radelfinger ein Thema, das sich in Cannes durch alle Geschäftsbereiche und Disziplinen zieht.