Der SRG-Ombudsmann Achille Casanova übt Kritik an zwei Beiträgen zur Familieninitiative der SVP. Als teilweise berechtigt stufte er die Beschwerde eines Zuschauers ein, der sich über den Beitrag «Familieninitiative bei der CVP umstritten» beklagte, der im Oktober in der Sendung «10vor10» ausgestrahlt wurde.
Um die Auswirkung der Familieninitiative zu zeigen, verglich der Sender zwei Familien aus dem Kanton Zug, wo es bereits Steuererleichterungen für selbstbetreuende Familien gibt. Die eine der beiden Familien hatte zwei Kinder, die fremd betreut werden, die andere drei Kinder, die selbstbetreut aufwachsen.
In einer Grafik wurden die Steuererleichterungen für beide Familien aufgelistet. Diese waren zwar pro Kind gleich hoch, aber aufgrund der Kinderzahl der beiden Familien nicht in absoluten Zahlen.
«Ich teile Ihre Auffassung, wonach die dargestellten Zahlen zumindest falsch interpretiert werden können, wenn nicht gar irreführend sind», teilte Casanova dem Beanstander mit. «Indem in der Grafik zwei unterschiedliche Situationen verglichen wurden - eine Familie mit zwei und eine mit drei Kindern -, konnte tatsächlich bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern der Eindruck entstehen, wonach die Familie ohne Fremdbetreuung bevorzugt würde.»
Ein solcher falscher Eindruck sei nicht banal, habe es sich doch um eine Sendung gehandelt, welche zumindest indirekt mit einer zur Abstimmung stehenden Vorlage zusammengehangen habe, so der Ombudsmann. Er erachte die Berichterstattung als Ganzes als sachgerecht, «die gezeigte Grafik aber als mangelhaft, wenn nicht gar als irreführend».
Deutlichere Kritik übte Casanova an der «Tagesschau» am 19. Oktober um 18.00 Uhr. Ein Zuschauer hatte «den breiten Raum» beanstandet, den SRF «den ungebührlich heftigen Aussagen (Aebischer) den Gegnern der SVP-Familieninitiative eingeräumt» habe. Das sei reine Unterstützung der gegnerischen Propaganda gewesen.
In der Sendung sollten FDP- und SP-Politiker zu aktuellen Umfragewerten Stellung beziehen, die andeuteten, dass die Wähler ihrer Parteien entgegen ihrer Parole für die SVP-Initiative abstimmen würden.
Casanova ist zur Auffassung gelangt, dass das Kriterium der «erhöhten Sorgfaltspflicht» hätte verfolgt werden müssen. «Auch wenn der Beitrag fünf Wochen vor der Abstimmung vom 24. November ausgestrahlt wurde, stand er eindeutig in einem direkten Bezug zur eidgenössischen Vorlage und hätte insofern als sensibel gelten müssen», so der Ombudsmann.
«Zwar wurde transparent vermittelt, dass es sich um Reaktionen aus der Sicht von SP und FDP handeln würde, und der Inhalt der SVP-Initiative wurde kurz erwähnt», heisst es. «Doch indem anders als in der Hauptausgabe lediglich die Meinung der Gegner der Initiative zum Ausdruck kam, war die Berichterstattung einseitig.»
«Denn es ging nicht darum, dass die SP- und FDP-Exponenten ihre Meinung aussagten, was die Umfragewerte für ihre Politik, ihre Wählerschaft, etc. bedeutet, sondern sie haben Nachteile der Initiative aufgezeigt», hält Casanova fest. «Die Gegenargumentation hätte deshalb auch eingeholt werden müssen.»
Die «Tagesschau» von 18 Uhr habe deshalb «die vor einer Volkabstimmung geltenden erhöhten Sorgfaltspflichten» erfüllen müssen, schliesst er. Die Beanstandung beurteilte er als berechtigt.