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Mittwoch
03.01.2024

Medien / Publizistik

Mutige und hartnäckige Journalistinnen und Journalisten lassen sich von Behörden nicht einschüchtern und schon gar nicht abweisen...

Mutige und hartnäckige Journalistinnen und Journalisten lassen sich von Behörden nicht einschüchtern und schon gar nicht abweisen...

Journalistenpreise gibt es viele in der Schweiz. Häufig zählen gute Kontakte, grosse Medienhäuser im Rücken und sympathisches Auftreten, um in die Kränze zu kommen.

Ganz anderer Machart ist der Prix Transparence des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch. Gekürt werden Journalistinnen und Journalisten, die sich im Dickicht der Verwaltungen durchkämpfen und die Herausgabe verschlossener Akten herausfordern. Unterstützt werden sie dabei vom Verein, der die Journalistinnen berät und unter anderem Kurse anbietet. Geschäftsführer von Öffentlichkeitsgesetz.ch ist Martin Stoll.

2023 stelle mit 114 Artikeln einen Rekord dar. 33 Redaktionen bewährten sich als Wachhunde der Demokratie, wie Stoll am Sonntag dem Klein Report mitteilte. In die engere Auswahl schafften es auch Medientitel, die wenig bekannt sind. Nachfolgend die Namen der Nominierten:

Simon Marti («NZZ am Sonntag») beleuchtete in drei Artikeln, wie der Bundesrat auf Sanktionen gegen China verzichtete, obwohl die EU solche im Hinblick auf die Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren aussprach.  

In «La Liberté» deckte Guillaume Chilier den E-Mail-Verkehr zwischen SVP-Parteichef Thomas Aeschi und dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvwk) auf. Aeschi verlangte Einsicht in die aktuellen Geschäfte, nachdem SVP-Bundesrat Albert Rösti das Departement übernommen hatte. «Andere Parteien bezeichnen dieses Vorgehen als ungewöhnlich und zu aggressiv», wie es vonseiten Öffentlichkeitsgesetz.ch dazu heisst.

Wie stark der Preisüberwacher unter Druck des Detailhändlers Migros geriet, das zeigten Dokumente, die Pascal Michel («Schweiz am Wochenende») und Thomas Schlittler («SonntagsBlick») zutage brachten. Zufall oder nicht: Die beiden Blätter recherchierten unabhängig voneinander.

Pascal Tischhauser («Blick») übernahm eine delikate Aufgabe. Nachdem publik wurde, wie Peter Lauener, Ex-Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset, eine «Standleitung» zu Ringier-CEO Marc Walder unterhielt, recherchierte Tischhauser zu den Untersuchungen des Bundesamts für Informatik und Telekommunikation (Bit).

Dabei kam durch das Öffentlichkeitsgesetz unter anderem zutage, wie die Persönlichkeitsrechte Tausender Unbeteiligter verletzt wurden, wie das Boulevardblatt von Ringier schrieb («Tausende Persönlichkeitsverletzungen durch den Bund»). Das Bundesamt hatte zu viele E-Mails herausgerückt, die immer noch Gegenstand von juristischen Auseinandersetzungen sind.

Auch 2023 stand es nicht gut um den Tierschutz. Roland Gamp vom «Tages-Anzeiger» enthüllte Dokumente, die das qualvolle Sterben bei Tierversuchen belegen.

Ebenfalls vom «Tages-Anzeiger», diesmal von Lukas Lippert, stammt die Enthüllung, die landesweit für Schlagzeilen sorgte. Wie in einem Selbstbedienungsladen räumten Hacker hochsensible Daten von Bund und Fedpol ab. Der Titel seines Artikels: «Bund hat die Sicherheit der Firma in 15 Jahren nie überprüft».

Auch Medien, die ständig mit Finanzproblemen kämpfen, gelingen Glanzstücke. Das linksorientierte Medienorgan «Das Lamm» deckte auf, wie der Bund Emissionsrechte an «Top-Umweltverschmutzern» verscherbelte. Verantwortlich für die Recherche: Luca Mondgenast und Alex Tiefenbacher.

Philippe Boeglin («Le Temps»), Xavier Lambiel («La Liberté») und Bayron Schwyn («Arcinfo») hatten einen langen Schnauf. Nach zwei Jahren Rechtsstreit rückte das Staatssekretariat für Migration (Sem) Berichte über die medizinische Versorgung von Ausschaffungsflügen heraus.

Das Grundwasser in der Schweiz ist gesund. Eric Breitinger und Petar Marjanovic deckten aber für den «Saldo» unter Verschluss gehaltene Messdaten auf, die zeigten: In jeder zweiten Probe sind sogenannte Pfas-Belastungen enthalten.

Es gilt eigentlich das ungeschriebene Gesetz, dass sich Bundesrätinnen und Bundesräte vor Abstimmungen fernhalten und keinen Einfluss ausüben. Zumindest in Massen. In der «Wochenzeitung» (Woz) überführten Anna Jikhareva und Kaspar Surber das Beeinflussungsmanöver von Bundesrätin Karin Keller-Sutter bei der Konzernverantwortungs-Initiative.

Ausserdem vergibt der Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch den Prix Transparence Regio. Nominiert sind hier: Adrienne Fichter, Lorenz und Reto Naegeli, Balz Oertli («Republik»); Jérémy Seydoux («Léman Bleu»); Fabian Duss und Matthias Niederberger («Freier Schweizer»); Delia Bachmann und Patrick Gut («Der Landbote»); Florian Schoop («Neue Zürcher Zeitung»).