Früher galt bei der NZZ die Regel: Die Welt hat sich nach uns zu richten, nicht umgekehrt. Eine Seite Bildbesprechung, warum nicht? Zwei Seiten Analyse über die Zollverordnung Dschibuti? Wenn der NZZ-Redaktor das so will, bitte sehr. Ob die Leserschaft begierig darauf ist, war zweitrangig.
Spätestens seit der Jahrtausendwende orientiert sich auch die «Neue Zürcher Zeitung» an den Lesegewohnheiten ihrer Leserinnen und Leser. Mit dem aufgefrischten Layout von 2009 wurde schliesslich klar: Auch die NZZ will gelesen werden. Die Schrift wurde grösser, es gab mehr Spalten und mehr Weiss.
Etwa zeitgleich eröffnete die Zeitung auch ihren eigenen Laden, den «NZZ Shop». Wieder ein Bruch. Nicht nur ihre publizistischen Inhalte wollte die NZZ feilbieten, auch Schmuck, Regenschirme, Foulards sollen gekauft werden. Abonnenten bekamen Sonderrabatte.
Es war die grosse Zeit von Chefredaktor Markus Spillmann. 2014 wurde er entlassen, der bisher einzige NZZ-Chefredaktor, der unfreiwillig gehen musste.
Was sein Nachfolger, Eric Gujer, vom «NZZ Shop» hält, ist nicht bekannt. Gegründet hätte er ihn wohl kaum.
Mit ihrem Shop steht die «Neue Zürcher Zeitung» nicht alleine da. Fast jede überregionale Zeitung hat einen Shop: Die «Süddeutsche Zeitung», «Die Zeit» und seit diesem Jahr auch der «Tages-Anzeiger» mit seinem «T-store».
Sobald es um Kunst geht, ist ars mundi («Europas grosser Kunstversender») mit von der Partie. Die Firma hat sich auf Reproduktionen berühmter Künstler konzentriert: Picasso, Rodin, Chagall. Gut laufen auch Nachbildungen von historischem Schmuck. Oder Skulpturen.
Bei der NZZ kann man zum Beispiel die Plastik «Erfolgsspirale» für 475 Franken kaufen. Ein drei Kilogramm schwerer Metallguss auf einem Marmorsockel. Die gleiche Figur gibts im Shop der «Süddeutschen Zeitung» für 380 Euro. So viel kostet sie auch im «Zeit Shop», im Shop des «Weser Kuriers», im «Kleine Zeitung Shop» oder im «Tagesspiegel Shop».
Den Kuss von Auguste Rodin gibt es beim «Tages-Anzeiger» für 299 Franken. Die Büste ist 19 Zentimeter hoch. Auch die NZZ verlangt 299 Franken, ihre Küssenden messen aber 26 Zentimeter. Die NZZ bietet also mehr Leidenschaft für gleich viel Geld. Das Museumsreplikat gibt es in Deutschland natürlich wieder einmal günstiger. Zum Beispiel im «Zeit Shop». 26 Zentimeter Rodin für 240 Euro.
Aber nicht nur in Deutschland sind die Produkte günstiger als im «NZZ Shop». Auch in der Schweiz gibt es Anbieter, die die gleichen Produkte für weniger Geld verkaufen, trotz Abonnenten-Rabatt.
Das Gartenskulpturenset «Entenfamilie» besteht aus einer Entenmutter aus Bronze und vier ultraherzigen Küken, ebenfalls aus Bronze. 229 Franken will die NZZ für die Familie. Die Classic Gallery bietet die Enten für 155 Franken an.
Oder das Holzpuzzle Thirty. Es besteht – der Name deutet es an – aus 30 Teilen. Abonnentinnen der NZZ zahlen 55 Franken, Nichtabonnenten 65 Franken. Und wer es auf Galaxus kauft, nur 48.40 Franken.
Solche Beispiele gibt es noch viele. Warum bezahlen Abonnenten mehr als im Laden? Konnte die NZZ keinen Mengenrabatt für ihre Kundinnen rausschlagen? «Die meisten Produkte werden in kleiner Stückzahl angeboten», schreibt die NZZ auf Anfrage des Klein Reports. «Die Preise bewegen sich im marktüblichen Rahmen und orientieren sich an den Vorgaben der Manufakturen.»
Also, keine gewonnene Rabattschlacht. Warum brauchts dann den Shop, fragt sich der Klein Report.