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Mittwoch
23.05.2018

Medien / Publizistik

Israel-Hass und Brunnenvergifter-Legende

Israel-Hass und Brunnenvergifter-Legende

Die Leserinnen und Leser der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 18. Mai 2018 staunten nicht schlecht. Da stand in fett gedruckten Lettern folgendes Zitat: «Die knapp zwei Millionen Gaza-Bewohner sind fast vollständig von ausländischer Hilfe abhängig, die Arbeitslosigkeit ist erdrückend. Die Situation ist desolat, es gibt nicht einmal mehr Trinkwasser, weil man alle Brunnen vergiftet hat.»

Das Leit- und Kulturblatt NZZ wiederholte also die mittelalterliche Mär von der Brunnenvergiftung durch die Juden. Auf massiven Protest hin, muss die Redaktion sich entschuldigen. Das Schreiben liegt dem Klein Report vor.

Die NZZ-Redaktion tut dies via Twitter: «Das Zitat hätte kritisch eingebettet sein müssen – wir bitten um Entschuldigung.»

Wie eine kritische Einbettung antisemitischer Hetzrede und Ideologie in einem Interview gemacht werden soll, darüber gab die NZZ keine Auskunft.

In der Online-Version ist das Brunnenvergifter-Zitat nach «erdrückend» gestrichen mit einer Fussnote: «Dieser Artikel enthielt in einer früheren Version ein problematisches direktes Zitat, das nicht den Standards der NZZ entspricht. Dafür entschuldigen wir uns.»

Das Recht der Öffentlichkeit, die Wahrheit zu erfahren, weicht mehr und mehr einem Entschuldigungskarussell. Mangelnde Präzision täuscht die Öffentlichkeit.

Wie es der «Neuen Zürcher Zeitung» passieren konnte, ein Gespräch voller Israel-Hass und Brunnenvergifter-Legende zu publizieren und weshalb es nicht zu einer Gegendarstellung oder einem Interview mit jemanden kommt, der oder die tatsächlich etwas vom Nahost-Konflikt versteht, wird wohl für lange Zeit das Geheimnis der Chefredaktion bleiben. Qualitätsjournalismus sieht indessen anders aus.