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Montag
05.03.2018

TV / Radio

Soziale-Medien-nobillag2018-Kampagnenmacher-Balsiger-Klein-Report

Die wuchtige Ablehnung der «No Billag»-Initiative zeigt laut Selbstauskunft des «Nein zum Sendeschluss»-Kampagnenleiters Mark Balsiger, dass Abstimmungen in Zukunft nicht mehr mit Inseraten und Plakaten gewonnen werden, sondern mit Memes und Youtube-Filmen. 

Mark Balsiger schreibt im Pressekommuniqué zum wuchtigen Abstimmungserfolg: «Es ist die grösste Zahl an oft hochwertig produzierten Videos, die bisher in einer Schweizer Abstimmungskampagne verwendet wurde.» Wirklich? Gibt es Zahlen dazu? 

Weiter mit Balsiger im Pressekommuniqué zu «Nein zum Sendeschluss»: «Das Engagement breiter Kreise und zahlloser Einzelpersonen war riesig. Zehntausende haben Flyer verteilt, Leserbriefe geschrieben, Überzeugungsarbeit im persönlichen Umfeld geleistet, Geld gespendet, Facebook-Posts geschrieben usw. - eine derart grosse Beteiligung habe ich zuvor bei keiner Abstimmung beobachtet.»

Die einzig verfügbaren und überprüfbaren Zahlen dazu - schliesslich werden die automatisierten Retweets und Fake Followers nicht wirklich erhoben - liefern die Zeitungsinserate. Hier berichtet die «NZZ am Sonntag», dass es laut Erhebung von «Année Politique Suisse» keine heftige «No Billag»-Kampagne gab - weder dafür noch dagegen -, da das Inseratenaufkommen unterdurchschnittlich war. 

Ob Selbstauskunft, «Fake», wirklich oder nicht: Die sozialen Medien setzten heute den Nein-Trend zu «No Billag». Soziale Medien, so die Erfahrung nach dem 4. März 2018, werden auch in Zukunft die Trends für Wahlen und Abstimmungen setzen.

In Anbetracht der Manipulationsfähigkeit in den sozialen Medien sind dies nicht nur gute Nachrichten, ebenso wie das Zusammenspiel zwischen sozialen Medien und Leitmedien noch nicht ausreichend erforscht ist. Ein Trend in den sozialen Medien ist erst dann einer, wenn er von den klassischen Medien als solcher aufgenommen wird (was ständig und unkritisch passiert). 

Deshalb spielt es keine Rolle, ob die Aussagen zum Online-Wahlkampf stimmen oder nicht. Hauptsache ein Trend wird in den sozialen Medien festgestellt und als real wahrgenommen - dann verstärkt sich die Idee eines Trends selber zum Trend und verstärkt sich in den klassischen Medien. 

Abstimmungen und Wahlen werden in Zukunft also via bewegte Bilder, Memes und individualisierte Posts in den sozialen Medien dann gewonnen, wenn sie als Trend auch verzeichnet sind. Wer hier was zu welchem Preis bewegt, lässt sich - anders als bei Inseraten - nicht nachvollziehen. Geschickte Kampagnenleiter werden also ohne Mühe nach gewonnener Schlacht die eigene Strategie als die Siegerstrategie verkaufen können und weiteren Siegeswilligen anbieten. Da Medien Sieger lieben, wird sich der Trend, via soziale Medien einen Trend zu behaupten, der auf allen Kanälen wiederholt wird, zum eigenständigen Trend entwickeln.

Vergessen geht bei all der Euphorie über das Nein zu «No Billag»: Selten gab es in der Schweiz eine derart grosse Koalition zwischen Gewerkschaften und Landbevölkerung, zwischen SP und CVP, zwischen linksalternativen jungen Menschen und der Operation Libero. Selten eignete sich eine Abstimmung so gut, um mit Nein zu «No Billag» eigentlich nicht nur den Angriff auf die Finanzierung der SRG abzuwehren, sondern eigentlich die Schweiz zu «retten».

Diese Kombination verhalft zu dem hohen über 70-Prozent-Stimmenanteil. Doch Nebentöne sind nebensächlich: Deshalb meint die «NZZ am Sonntag» wie Mark Balsiger: «Im Abstimmungs- und Wahlkampf ersetzt das Polit-Video das Inserat.»