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Freitag
06.05.2022

Medien / Publizistik

Der neue Chefredaktor will beim Finanzportal von Claude Baumann «relevante News verbreiten, ohne wohlfeilem Thesen- oder Fertigmacher-Journalismus zu frönen». (Bild zVg)

Der neue Chefredaktor will beim Finanzportal von Claude Baumann «relevante News verbreiten, ohne wohlfeilem Thesen- oder Fertigmacher-Journalismus zu frönen». (Bild zVg)

Fredy Greuter kehrt zurück in den Journalismus. Nach mehreren Jahren beim Arbeitgeberverband wechselt der ehemalige NZZ-Journalist zum Finanzportal finews.ch.

Der Klein Report sprach mit Greuter über Krise und Finanzierung des Journalismus, über seine PR-Arbeit beim Verband und über die beiden Seiten der Kommunikationsmedaille.

Nach sieben Jahren in der Kommunikation beim Schweizerischen Arbeitgeberverband wechseln Sie zurück in den Journalismus. Was hat Sie bewogen, auf ein sinkendes Schiff aufzuspringen?
Fredy Greuter
: «Die klassische Medienbranche befindet sich zwar in einer schwierigen Transformationsphase. Das hohe Tempo verlangt eine besondere Aufmerksamkeit, die Verschmelzung von Print und Online erfordern andere journalistische Arbeitstechniken und bei alldem wanken die traditionellen Geschäftsmodelle der Verlage bedrohlich. Doch wird uns gerade jetzt drastisch vor Augen geführt, wie wichtig Pressefreiheit und die freie Meinungsbildung für funktionierende und sich entwickelnde Gesellschaften sind. Diese Grundwerte zerstören dreiste Autokraten inzwischen unverhohlen. Zum Glück haben wir es in der Schweiz in der Hand, ob das Medienschiff zu sinken droht oder heil aus schwerer See herauskommt. Eines ist doch klar: In unserer freien, offenen und direktdemokratischen Gesellschaft ist besser dran, wer gut unterrichtet ist. Das leisten unabhängige und vielfältige Medien. Ich möchte etwas dazu beitragen – nota bene bei finews.ch in einem Medienunternehmen, das in der digitalen Medienwelt höchst erfolgreich unterwegs ist.»

Was interessiert Sie an finews.ch im Speziellen – mal abgesehen davon, dass Sie viele Jahre als NZZ-Journalist im Wirtschaftsressort gearbeitet haben?
Greuter: «An finews.ch überzeugt mich die hervorragende Aufbauarbeit. Gründer Claude Baumann und sein Team haben in den letzten Jahren sehr vieles richtig gemacht und das Portal als führende Stimme der Finanzbranche etabliert. Meine Erfahrungen sowohl als Leiter der NZZ-Börsenredaktion wie auch als Redaktionsleiter von NZZ Online kann ich bei finews.ch ideal kombiniert einbringen. Zudem eröffnen sich bei finews.ch weitere Möglichkeiten, an denen ich teilhaben will. Dafür braucht es übrigens keine Subventionen der öffentlichen Hand. Wir wollen den Kurs auf offener See selber bestimmen und einzig unseren Lesern Rechenschaft schulden.»

Welche publizistischen Schwerpunkte wollen sie legen bei dem Finanzportal?
Fredy Greuter: «Als Nachrichtenportal für die Finanzbranche ist es unser Anspruch, relevante News zu verbreiten, ohne wohlfeilem Thesen- oder Fertigmacher-Journalismus zu frönen. Diese lauten Formen mögen zwar kurzfristig Aufmerksamkeit und Reichweite bringen. Guter Journalismus ist aber jener, der über die Zeit Vertrauen in eine Medienmarke schafft. Und Vertrauen wird, in abgewandelter Form, auch im Internetzeitalter der beste Garant für die Prosperität eines Verlages bleiben.»

Wo sehen Sie Entwicklungspotenzial?
Greuter: «Wie überall bringt auch im Journalismus nichts ein, was nichts wert ist. Dabei geht die grosse Gefahr für den Journalismus von diesem selbst aus – von Klick-Futter und Halbgarem anstelle akribischer Gründlichkeit und luzider Kommentierung. Doch umgekehrt gilt auch: Für faktengetreuen, hochstehenden, meinungsbildenden, kritischen und unabhängigen Journalismus wird es immer einen lukrativen Markt geben. Ich halte es hier mit einer treffenden Aussage von Norbert Neininger selig, den ich als Verleger mit Herzblut schätzen gelernt habe: ‚Das ist der Kern unseres Tuns: das Sammeln, Strukturieren, Gewichten und Verteilen von relevanten Informationen. Das muss den Menschen – gerade in der Schweiz – etwas wert sein.’»

Meistens passiert der Brain Drain von den Medien in die PR. Daher mal umgekehrt gefragt: Was haben Sie als Ressortleiter Kommunikation beim Arbeitgeberverband gelernt, was Ihnen im Journalismus helfen wird?
Fredy Greuter: «Journalismus und Kommunikation sind ein bisschen wie zwei Seiten derselben Medaille. Ein verbindendes Element ist sicher das kommunikative Handwerk. Genauso wie die Medienschaffenden müssen die Kommunikationsfachleute präzis, verständlich und gut aufbereitet informieren und aufklären. Als Verantwortlicher für die Kommunikation in einer Organisation muss man – neben der Medienarbeit – hingegen noch weitere Fachdisziplinen beherrschen, etwa den Umgang mit internen Kommunikationskanälen oder die Produktion von zielgruppengerechten Medienerzeugnissen. Bleiben werden mir daneben aber vor allem die vielen Gespräche mit Unternehmern, Politikern, Experten – mit Menschen, die sich ernsthaft um den Wirtschaftsstandort sorgen und sich auch einmal exponieren, wenn man nicht bloss mit zeitgeistigen Wohlfühlthemen ein paar Sympathiepunkte sammeln kann.»

Wie schauen Sie auf Ihre Zeit als Kommunikations-Chef eines der Dachverbände der Schweizer Wirtschaft zurück?
Greuter: «Der Schweizerische Arbeitgeberverband beschäftigt sich intensiv mit vielen drängenden Fragen unserer Zeit. Hautnah verfolgen konnte ich darum etwa das Ringen um ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU, die schwierige Reform der Altersvorsorge, die Auswirkungen der Digitalisierung auf Berufsausbildung und Weiterbildung oder das Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik während der Corona-Krise. Dabei hat mich immer wieder mit Stolz erfüllt, wie gut und bürgernah bei allem unvermeidlichen Hick-Hack unsere demokratischen Institutionen funktionieren. Es war faszinierend zu erleben, wie gute Kompromisse gefunden wurden oder woran sie auch einmal scheiterten. All diese Facetten aus der Perspektive der Arbeitgeberpolitik zu vermitteln, war vor allem in der medialen Darstellung nicht immer ganz einfach. Doch mein Ansporn war immer, die Menschen in unserem Land – ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – nicht nur abzuholen, sondern ihnen auch teilweise komplexe Sachverhalte plausibel zu erklären. Das richtet im öffentlichen Dialog den Blick aufs Wesentliche und trägt zu einer sachgerechten Debatte bei.» 

Was war Ihr heikelster oder lustigster Kommunikationsmoment in den letzten sieben Jahren?
Fredy Greuter: «Es gab von beiden einige. Da schweigt aber des Sängers Höflichkeit.»