Die ehemalige SRF-Kulturchefin und frisch gewählte SRF-Direktorin Nathalie Wappler (50) hat in der «NZZ am Sonntag» erklärt, weshalb sie Nachrichten ohne journalistische Besserwisserei möchte und ein Programm fordert, das informiert, aber nicht polarisiert.
Politiker sollten in der Berichterstattung zu Wort kommen, deren Aussagen aber von den Journalisten nicht mehr kommentiert werden. «Wir müssen keinen Meinungsjournalismus machen», wird sie im Interview von Christian Jungen, Ressortleiter Kultur der «NZZ am Sonntag», zitiert.
Gleich zu Beginn fragt Jungen, weshalb sie sich «denn doch als Direktorin beworben habe», da Nathalie Wappler sich im Interview vom 28. April mit dem Kulturjournalisten unter dem Titel «Nathalie Wappler ist die Favoritin beim SRF» öffentlich noch etwas geziert hatte. «Weil das ein einzigartiger Job ist in der Schweiz und eine tolle Chance, nach der `No Billag`-Abstimmung den Service public zu justieren.» Und etwas pathetisch fügt sie an: «Alle öffentlich-rechtlichen Anstalten in Europa schauen nun auf die Schweiz.»
Diesen staatstragenden Grundton haben Nathalie Wappler und SRG-Generaldirektor Gilles Marchand auch nach der Bekanntgabe ihrer Wahl am 5. November durchgezogen. Beide raspelten die von der Politik vorgegebene Konzession in jedes Mikrofon charmant runter, es wurden gut aufeinander abgestimmt Narrative gesetzt.
«Wie wollen Sie die `No Billag`-Befürworter wieder von SRF überzeugen?», fragt Christian Jungen. «Wir müssen uns verändern, das hat das Abstimmungsergebnis zum Ausdruck gebracht. Und wir müssen ein Programm machen, das informiert, aber nicht polarisiert. Wir müssen keinen Meinungsjournalismus machen. Ich habe diesbezüglich in Deutschland sehr viel gelernt», so die aktuelle MDR-Programmchefin, die im November 2016 das Schweizer Radio und Fernsehen Richtung Ostdeutschland verliess. «Diese Abgehängten, die man nicht mehr zurückholen kann», beschäftigten sie zutiefst.
Zur Erinnerung: Die radikal formulierte «No Billag»-Initiative, über die im März 2018 abgestimmt wurde, haben am Ende in der Deutschschweiz über 30 Prozent und in der italienischen Schweiz gar 35 Prozent angenommen. Viele wahrscheinlich contre coeur, weil sie denken, dass der verpolitisierte SRG-Moloch nur schwer oder gar nicht reformierbar ist.
«An was stören sich diese Menschen konkret?», fragt die «NZZ am Sonntag» nach. «Wenn wir in einem Beitrag einen Politiker zu Wort kommen lassen und wenn der Journalist dann den Eindruck erweckt, er wisse es besser, provoziert das einen Vertrauensverlust», sagt Wappler. Als sie im Journalismus angefangen habe, sei sie immer vom Raum beeindruckt gewesen, in dem die Agenturfaxe ratterten. «Es gab mir das Gefühl, an der Quelle zu sein, wo Nachrichten eintreffen, bevor wir sie verbreiten.» Heute hätten alle dieses Gefühl, weil sie permanent am Ticker seien.
Deshalb werde es für SRF immer wichtiger, zu erklären, warum es Journalisten brauche, «die gewichten». «Und wir müssen mit Kritikern im Gespräch bleiben, um zu verstehen, was sie stört. Wir brauchen Beispiele.»
Beispiele kann der Klein Report geben: In einer Recherche zu SRF und zu Nathalie Wapplers Führungsstil haben sich einige Kritiker beim Klein Report gemeldet. Die Redaktion hat Wappler telefonisch und in einem schriftlichen Fragekatalog mehrfach zu einer Stellungnahme angefragt: Nichts. Schweigen.
Im Text von Christian Jungen vom April diesen Jahres schreibt er über «unangenehme Personalentscheide», die sie getroffen habe und die ihr angekreidet würden: «Der Onlinedienst Klein Report schrieb, Mitarbeiter hätten sie `das Fallbeil vom Leutschenbach` genannt», so die «NZZ am Sonntag» damals.
Wapplers Antwort - sie hat also doch noch eine Antwort gegeben - in selbiger Zeitung: Sie ärgere sich über solche Kritik. «Wenn eine Frau zielstrebig und ambitioniert ist, heisst es, sie sei kalt und berechnend; bei einem Mann hiesse es, er sei durchsetzungsstark.»
Der Klein Report wiederholt: Diese Aussage machte die neue SRF-Direktorin nicht im Klein Report, von dem sie wegen interner Kritik mehrfach kontaktiert worden war, sondern in einem externen Medium. Und vielleicht waren das ja gerade «Abgehängte», die in diesem Recherchiertext des Klein Reports zu Wort kamen und eine Antwort wollten.
Wenn Leute in Führungspositionen aber nicht reden, entstehen erst recht Echo-Kammern. Wegducken und nur reden, wenn es der eigenen Karriere dient, reicht für eine erfolgreiche Führung nicht aus, fügt der Klein Report da an.
Bemerkenswert ist auch, dass die neue SRF-Direktorin in dem damaligen Text über sich selber und gleich ausgeweitet über «die Frauen» ganz generell redet und anfügt, dass sie «keine Feministin sei», sie bekomme aber zu spüren, «dass die Eliten männlich geprägt seien, in der Schweiz noch mehr als in Deutschland».
Obwohl: Dieser überalterten männlichen Truppe hat Nathalie Wappler auch ihren Aufstieg zu verdanken. Nun gilt es für die neue SRF-Direktorin einen weiteren Wechsel hinzubekommen - aber ohne Wegducken, sonst wird das für sie selber mit den vielen guten SRG-Journalisten, die wiederum auch Fragen stellen, nichts werden.